Kurzfassung
Teil A: Motivation, Inhalt, Ziele, Methoden
Das Passivhaus ist als besonders energieeffizienter Baustandard bekannt. Weniger bekannt ist, dass dieses Konzept konsequent aus Behaglichkeits- und Wohnhygienekriterien abgeleitet wurde. Das Komfortargument ist aber für den Marktdurchbruch dieses Konzepts von eminenter Bedeutung. Passivhäuser werden allerdings meist nicht als "Behaglichkeitshäuser" sondern als "Häuser ohne Heizung" verkauft. Viele potentielle Passivhauskunden schrecken davor zurück, in einem Haus zu wohnen, welches nur mit einer Zuluftheizung beheizt werden kann. Sie wünschen sich eine fühlbare Wärmequelle, wie z.B. eine Wandheizung oder einen kleinen Ofen. Auch manche BewohnerInnen von Passivhäusern äußern solche Wünsche, nicht weil es im Passivhaus zu kalt wäre, sondern weil ein besonderes Wärme-, Behaglichkeits- oder Sicherheitsbedürfnis damit befriedigt werden kann. Komfortlüftungsanlagen sind integrativer Bestandteil jedes Passivhauses, sie sorgen bei der sehr luftdichten Bauweise des Passivhauses für ausreichenden Luftwechsel und garantieren damit eine gute Raumluftqualität. Der Vergleich von Messergebnissen zur Luftqualität mit und ohne Lüftungsanlage in Schlafräumen tragen bei vielen Bauherrn wesentlich zur Entscheidung für die Komfortlüftungsanlage und damit auch oft für das Passivhaus bei.
Für einen Markterfolg des Passivhausstandards müssen neben den viel besprochenen Betriebskosten- und Ökologieargumenten, die für das Passivhauskonzept sprechen, auch die Komfortargumente gefestigt werden. Dafür müssen Befürchtungen über mögliche Komfortprobleme in Passivhäusern empirisch bestätigt oder entkräftet werden. Im Falle einer (auch teilweisen) Bestätigung ist der Gewinn ein Entwicklungsstimulus für den Passivhausstandard und seine zentralen technischen Komponenten wie Fenster und Lüftungsanlagen. Im Falle einer Entkräftung der Befürchtungen durch die Ergebnisse ist der Gewinn ein erstklassiges Marketinginstrument.
Dieses Forschungsprojekt beschäftigte sich mit zwei Fragen zur Behaglichkeit und zum Gesundheits- bzw. Erholungswert von Passivhäusern:
- Frage 1: Erleben BewohnerInnen von Passivhäusern einen Komfortunterschied, wenn ihr Haus a) nur über Zuluft oder b) wenn es zusätzlich mit anderen Wärmeabgabesystemen (Wand-, Deckenheizungen usw.) beheizt wird? Lassen sich wahrgenommene (aber auch evt. nicht wahrgenommene!) Unterschiede physiologisch und/oder psychologisch erfassen?
- Frage 2: Komfortlüftungsanlagen bieten mit geringen CO2 -Konzentrationen und geringer Staubbelastung erhöhte Raumluftqualität. Hat die bessere Raumluftqualität Auswirkungen auf die Schlafqualität und damit auf die wichtigste Erholungsphase der untersuchten PassivhausbewohnerInnen? Können die Auswirkungen durch Vergleich der Schlafqualität bei a) laufender Komfortlüfung und b) abgestellter Komfortlüftung und geschlossenen Fenstern (Standardfall im Winter bei Häusern ohne mech. Lüftung) nachgewiesen werden?
Ziel des Forschungsprojektes war die Behaglichkeits- bzw. Bedürfnisoptimierung von Passivhauskomponenten (Heizungskonzepten, Heizungskomponenten, Regelungs- und Steuerungskomponenten, Komfortlüftungsanlage) durch Einbeziehung der Messergebnisse der Behaglichkeitsuntersuchungen sowie der durch Interviews erhobenen Bedürfnisse und Erfahrungen von PassivhausbewohnerInnen im Bezug auf die Behaglichkeit.
Weiters sollte der Erholungsvorteil durch kontrollierte Wohnraumlüftung anhand von Untersuchungen der Schlafqualität nachgewiesen werden: Die Ergebnisse des Vergleichs der Schlafqualität mit und ohne Schlafraumlüftung sollten die Wichtigkeit und Bedeutung der Komfortlüftungsanlage für die Luftqualität bzw. Erholungsfähigkeit unterstreichen.
Schließlich sollte der Stellenwert des Konstrukts "Behaglichkeit" im Rahmen der Kaufentscheidung des Endverbrauchers bzw. im Adaptionsprozess von Neuprodukten dargestellt werden.
Die physiologischen Nachweise wurden über die Messung und Auswertung der Herzfrequenzvariabilität mit miniaturisierten EKG-Messgeräten ("Heartman") geführt: In einer thermisch behaglichen Umgebung wird die Temperaturregulation des Körpers nur über den Blutkreislauf durchgeführt. Die beste Chance, Behaglichkeit physiologisch zu messen, ist somit durch die Bestimmung des Zustandes des Blutkreislaufes bzw. des Autonomen Nervensystems gegeben. Die psychologischen Nachweise wurden durch Fragebögen sowie ein offenes Focus Group Interview und dessen qualitative Analyse geführt. Die Durchführung des Focus Group Interviews mit den BewohnerInnen von Passivhäusern, die gleichzeitig die Versuchspersonen der physiologischen Untersuchungen darstellten, verfolgte das Ziel, die Erfahrungen der Interviewten in Bezug auf die Behaglichkeit von Passivhäusern im Gespräch und in der Interaktion zu erheben und aufbauend darauf, das Konstrukt Behaglichkeit fassbar zu machen. Die sich daraus ableitbaren marketingrelevanten Aspekte waren primäres Ziel der Erhebung.
Teil B: Ergebnisse und Schlussfolgerung
Die physiologischen Untersuchungen ergaben, dass die in den Passivhäusern untersuchten unterschiedlichen Heizungssituationen keine signifikante Änderung in der autonomen Thermoregulation der Versuchspersonen hervorrufen. Sowohl die reine Zuluftheizung als auch Flächenheizungssysteme (Wandheizung) oder Heizung durch Pelletszimmerofen erreichten im Passivhaus eine Raumklimasituation, die von den Versuchspersonen sowohl subjektiv (erhoben durch Fragebögen) als auch in der objektiven physiologischen Messung als gleichwertig behaglich und den Kreislauf gleich beanspruchend eingestuft wurde. Die aus den Untersuchungen gefolgerte Aussage ist keine statistisch abgesicherte Aussage, da der Versuchsumfang der vorgenommenen Untersuchungen zu klein war. Sie ist als Hinweis, als Trend für die physiologische Wirkung von thermisch behaglichem Raumklima zu verstehen. Die physiologischen Messungen zeigen in einem Längsschnitt, dass die Methode, wie auch bei vorangegangenen Untersuchungen in ähnlichem Versuchsdesign gezeigt werden konnte, für Behaglichkeitsuntersuchungen geeignet und richtungsstabil ist. Das Ergebnis der Untersuchungen gilt nur für das Passivhaus, das, bedingt durch die gute Wärmedämmung, relativ hohe Oberflächentemperaturen gewährleistet. Unabhängig davon, welches Heizsystem verwendet wird, muss damit in jedem Fall die individuelle Vorzugsraumtemperatur der BewohnerInnen erreicht werden können, auch wenn diese Temperatur 25°C betragen sollten. Das Lüftungsheizungssystem hat jedoch den Nachteil, dass sich die Luftmenge nicht unabhängig von der Heizleistung regulieren lässt. Dies kann zu trockener Luft führen, da man die Luftmenge im Winter - auf Grund der erforderlichen Heizlast - auch bei Abwesenheit von Personen nicht reduzieren kann. Weiters lässt sich raumweise Temperaturregelung bei der Zuluftheizung nur mit großem Aufwand realisieren. Für die Planung ist es absolut wichtig, die Kundenwünsche optimal zu erfüllen. Wenn die Planung und die genauen Berechnungen zeigen, dass die individuellen Vorzugstemperaturen auch mit der ausschließlicher Lüftungsnachheizung erreicht werden können, der Wunsch der Bauherrin/des Bauherrn nach einem zusätzlichen Heizsystem aber bestehen bleibt, sollte diesem Wunsch nachgekommen werden.
Aus den Schlafuntersuchungen konnten aufgrund unzureichender CO2 -Konzentrationen in den Schlafräumen vorerst keine Rückschlüsse auf die Auswirkung schlechter Raumluftqualität auf die Schlafqualität gezogen werden. Einzelbeispiele von jenen Untersuchungen, bei denen ein nachweisbarer Unterschied in den CO2 -Konzentrationen vorlag, zeigten allerdings Unterschiede in der nächtlichen Erholung. Für differenziertere Aussagen und eindeutige Schlussfolgerungen auf mögliche Auswirkungen unterschiedlicher Schlafraumlüftungssituationen auf die Schlafqualität und den Erholungswert des Schlafes reicht die vorgenommene EKG-Strukturanalyse nicht aus.
Da aus den psychologischen Befragungen anhand von Schlaffragebögen jedoch eindeutig hervorgeht, dass von den Versuchspersonen subjektiv die Schlafqualität und die Schlaferholung bei guter Schlafraumbelüftung besser beurteilt wird, sollten weiterführende Untersuchungen angestellt werden. Es ist denkbar, die Untersuchungen mit einem mobilen Schlaflabor vorzunehmen, um die Schlafqualität anhand der unterschiedlichen Schlafphasen genauer zu differenzieren: dadurch könnte die Schlafqualität in Abhängigkeit von Raumklima und Schadstoffen beurteilt werden. Es sind diesbezüglich auch bereits erste Voruntersuchungen im Gange, die neben der Herzfrequenzvariabilität, aufgezeichnet wie in den präsentierten Untersuchungen mittels HeartMan, auch das EEG (Elektroenzephalogramm) der Versuchspersonen im Schlaf aufzeichnen. Von der dadurch genaueren Untersuchung der unterschiedlichen Schlafphasen werden konkretere Aussagen zur Schlafqualität erwartet.
Ein wesentliches Anliegen der Studie war es, herauszuarbeiten, welche Auswirkungen unterschiedliche Heizungssysteme auf die Behaglichkeit und das Wohlfühlen der BewohnerInnen von Passivhäusern haben. Im Rahmen des Focus Group Interviews wurde daher auch erörtert, ob und wie die EigentümerInnen ihre Passivhäuser heizen. Die TeilnehmerInnen waren sich einig, dass es auf Grund ihrer Wärme- und Temperaturansprüche grundsätzlich nicht möglich wäre, ihre Häuser ausschließlich über die Lüftungsanlage zu heizen. Niemand wollte riskieren, keine Zusatzheizung einzubauen, vor allem in extrem kalten Wintern könnte die Lüftungsanlage allein keine, ihren Komfortansprüchen genügend hohe Raumtemperatur gewährleisten. Daher waren vor allem der Sicherheitsgedanke und die Angst davor, womöglich im Nachhinein doch noch eine Heizung einbauen zu müssen, für den Einbau einer Zusatzheizung ausschlaggebend.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Art der Heizung aus Sicht der Befragten eindeutige Auswirkungen auf das Wohnklima und die Behaglichkeit eines Hauses und damit auf das Wohlfühlen seiner BewohnerInnen hat. Die TeilnehmerInnen wählten aus diesem Grund ihre Heizungssysteme ganz bewusst aus und ließen sich dabei nach eigenen Angaben stark vom Einfluss der Heizung auf die Raumatmosphäre leiten. Dies trifft ebenso für eine Wandheizung wie für einen (Pelletszimmer-) Ofen zu. Eine Wandheizung überzeugte die BewohnerInnen vor allem wegen der rundum von allen Wänden gleichermaßen wohlig abstrahlenden Wärme; ein (Pelletszimmer-)Ofen ist für die BewohnerInnen hauptsächlich wegen der sichtbaren Flammen, welche eine behagliche Atmosphäre erzeugen, ausgewählt worden.
Die Lüftungsanlage wird von den BewohnerInnen von Passivhäusern einheitlich als Hauptargument und wichtigstes Verkaufsargument gesehen. Die Lüftungsanlage ist wesentlich dafür verantwortlich, dass das Passivhaus überhaupt funktioniert und dass es seine ihm eigenen Qualitäten - vor allem auch in Hinblick auf die Faktoren Behaglichkeit, Wohnkomfort und Wohnqualität sowie Wohlfühlen - entfalten kann.