Das Bauwesen ist neben dem Verkehr einer der ressourcen- und energieintensivsten Wirtschaftszweige. Gewinnung, Produktion und Transport von Baumaterialien gehören zu den bedeutendsten Emittenten von CO2, auch die Entsorgung ist mit erheblichem Aufwand verbunden. Europaweit gibt es Initiativen zum kontrollierten Rückbau von Gebäuden, innerhalb derer Materialien aus dem Baubereich recycelt werden. Diese Vorhaben sind gut und wichtig, oftmals allerdings können die zur Wiederverwendung gelangenden Materialien sogenannte Legacy-Substanzen enthalten. Dabei handelt es sich um potentiell schädliche Zusatzstoffe, die in Bauprodukten verwendet wurden und aktuell im Gebäudebestand vorhanden sind. Auch der Einsatz von Kunststoffen in Baumaterialien hat stark zugenommen, diese können gesundheitliche Risiken bergen und das Recyclingpotenzial begrenzen.
Dem gegenüber steht ein Material, das mehrere Vorteile in sich vereint: Lehm ist fast überall vorhanden, bedarf keiner gesundheitsbeeinträchtigenden Zusatzstoffe und ist bedenkenlos in den Naturkreislauf rückführbar. Das Material ist vor Ort verfügbar, verwertbar und entsorgbar. Der Baustoff Lehm hat in den letzten Jahren eine Renaissance erlebt – wenngleich er nach wie vor ein Nischenprodukt ist. Aufgrund seiner unterschiedlichen Ausgangsmaterialien, Entstehungsform und Zusammensetzung weist Lehm unterschiedliche Eigenschaften und Eignungen auf, die einer Aufbereitung im Werk bedürfen, um den AnwenderInnen eine zugesicherte Qualität bieten zu können. Das führt dazu, dass eine der herausragendsten Eigenschaften des Lehms, nämlich dessen regionale Verfügbarkeit, durch den Einsatz von fallweise weit antransportiertem Lehm nicht zum Tragen kommt. Die Anwendung von Ortlehm – also auf der Baustelle anfallendem Lehm – ist mit großen Unsicherheiten, was die Qualität und Anwendungsmöglichkeiten betrifft, verbunden. Aus dem Grund wird oft auf industriell hergestellten Lehm zurückgegriffen.
Wichtig ist, die Auswahl eines Materials immer im Kontext mit Bauaufgabe und -form zu treffen. Inadäquat eingesetzte Baustoffe führen möglicherweise zu Bauschäden und in Folge zu einer Imageverschlechterung von Materialien. Lehm kann unter der Voraussetzung der richtigen Verarbeitung und Anwendung von großem ökologischen und gesundheitlichen Vorteil sein. Dafür bedarf es jedoch umfangreicher Kenntnisse der notwendigen Beschaffenheit für das jeweilige Einsatzfeld.
Ziel des Forschungsprojektes Clay to stay ist die Ausweitung der Lehm-Anwendung im Baubereich. Folgende Fragestellungen bzw. Themen werden im Zuge des Projektes bearbeitet:
Es findet eine Markterhebung durch die KMFA sowohl bei lehmverarbeitenden Betrieben als auch bei PlanerInnen und Bauträgern statt, um zu erheben, wie lehmverarbeitende KMU unterstützt werden können, um ihren Marktanteil zu erhöhen und welche Voraussetzungen für den Einsatz von Lehm im großvolumigen Wohnbau erfüllt sein müssen. Der oftmals bestehende Gap zwischen Forschung und Anwendung soll durch den Kontakt zwischen Forschungsunternehmen und KMU im Rahmen der Befragungen geschlossen werden. Durch Auswertung bereits durchgeführter Studien, in deren Rahmen Raumluftqualität und BewohnerInnengesundheit in Wohngebäuden unterschiedlicher Bauweise erhoben wurden, werden Rückschlüsse auf die gesundheitlichen Auswirkungen von Lehm im Innenraum gezogen. Instationäre hygrisch-thermische Gebäudesimulationen führen zu Aussagen über die Dauerhaftigkeit der Konstruktion und die Vermeidung von Bauschäden mit gesundheitlichen Auswirkungen (Schimmelwachstum in und an der Konstruktion). Darüber hinaus wird auf Raumebene das Potential der Feuchtepufferung von Lehmbaukonstruktionen ausgelotet, was von essentieller Bedeutung für Raumklima und thermischen Komfort ist. Es werden niederschwellige Prüfverfahrenzur Untersuchung von Ortlehm zur Feststellung von dessen Eignung für die unterschiedlichen Anwendungsfälle entwickelt sowie mikroskopische Analysen zur Bestimmung der Tonmineralogie durchgeführt. In den beiden baugleichen Räumen der Fassadenbox der AEE INTEC werden sowohl eine Lehmwand als auch eine konventionelle Gipskartonwand integriert, kontrolliert Schadstoffe sowie Feuchtigkeit eingebracht und anschließend Raumluftmessungen durchgeführt. Ziel der Messungen unterschiedlicher Raumluftparameter ist die quantitative Beurteilung des Absorptionsvermögens des Lehms hinsichtlich Schadstoffen und Feuchtigkeit. Zusätzlich werden die effektive Speichermasse bestimmt und die Behaglichkeit in den Testräumen qualitativ beurteilt.
Es finden in vorliegendem Projekt Prüfungen auf unterschiedlichen Ebenen statt – eine weiterführende Zusammenarbeit über das Projekt hinaus ist von allen Instituten angestrebt und im Sinne einer Kreislaufmaterialisierung des Bauwesens wünschenswert.