Der im Dezember 2015 erstmals vorgelegte „Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft“ [1] reicht von Produktion und Konsum über Abfallvermeidung und dem Sekundärrohstoffmarkt bis zur Wiederverwertung, damit die Ressourceneffizienz erhöht wird. Closing the loop, wie es bei der EU heißt, bedeutet bis 2030 zum Beispiel die Recyclingquoten für Siedlungsabfälle auf 65 % zu steigern, für Verpackungsmüll sogar auf 75 %.
Auch in der Bau- und Abrissbranche sollen weniger Abfälle anfallen. Dabei soll der gesamte Lebenszyklus betrachtet werden, von der Rohstoffgewinnung und Herstellung eines Bauproduktes bis hin zu dessen Recycling oder Entsorgung. Standardisierte Berechnungsmethoden zu etablieren ist ein Anliegen, mit dem der Aktionsplan nachvollziehbar umgesetzt werden kann.
Die Bauwirtschaft mit ihren enormen Massen wird einen wichtigen Beitrag zur Ressourceneffizienz, auch in Österreich, beitragen. Die jüngste Bestandsaufnahme der Abfallwirtschaft zeigt, dass hierzulande die Bau- und Abbruchabfälle im Jahr 2017 [2] rund 10 Millionen Tonnen betrugen. Das sind durchschnittlich fast 1.160 kg pro Person, ein deutlicher Anstieg im Vergleich zu Vorjahren. Davon konnten 640.000 Tonnen auf Grund der Inhomogenität der Abfallströme nicht recycliert werden und landeten in der Deponie.
Abhängig von der Konjunktur des Hoch- und Tiefbaus in Österreich ist das Aufkommen jährlich variabel und daher nicht exakt prognostizierbar. Trotzdem zeigen diese Fakten aus dem Bundesabfallwirtschaftsplan 2017deutlich, dass in der Bauwirtschaft großes Potenzial für die Kreislaufwirtschaft liegt.
Der Entsorgungsindikator
Der vom IBO entwickelte Entsorgungsindikator stellt mit einem klar geregelten, für alle Gebäude anwendbaren Modell die Entsorgungseigenschaften von Gebäuden dar. Damit können schon in der Planung die Rückbau-, Verwertungs-, Entsorgungs- bzw. Recyclingkonzepte von Baustoffen und Konstruktionen bedacht, verglichen und optimiert werden. Womit ein wichtiger Schritt zur Ressourceneffizienz getan ist.
Der Entsorgungsindikator ist eine Einzahlangabe, die durch eine semiquantitative Methode den aktuellen Entsorgungsweg einer Bauteilkomponente und sein Verwertungspotenzial bewertet. Letzteres gibt an, wieviel zu beseitigende Abfallmenge zum Zeitpunkt der tatsächlichen Entsorgung vermieden werden kann.
Für die Entsorgung bieten sich drei Wege an: „Recycling“, „Verbrennung“ und „Ablagerung“, wobei die stoffliche Verwertung (Recycling) im Sinne der Kreislaufwirtschaft zu bevorzugen ist. Für alle drei Entsorgungswege sowie für die fiktiven Einsparungen der Abfallmengen durch das Verwertungspotenzial wurde eine Bewertungsmatrix von 1 bis 5 entwickelt, wobei 1 für das beste Ergebnis steht.
Bei der Bewertung der einzelnen Bauteilschichten spielt die Trenn- oder Nichttrennbarkeit von Bauteilschichten eine große Rolle, da die Entsorgungseinstufung und das Verwertungspotenzial wesentlich vom Verbund mit anderen Materialien bestimmt wird. Eine vollflächig mit dem Untergrund verklebte Abdichtung würde zu einer Verschlechterung führen, ein nur lose verbundenes Material wie etwa ein Klemmfilz beeinträchtigt das Verwertungspotenzial jedoch nicht.
Die Methode wurde im Jahr 2003 erstpubliziert [3] und kontinuierlich weiterentwickelt. Eine neue, ergänzte Version - der Entsorgungsindikator EI10- ist mit 2018 eingeführt worden.
Neuerungen beim EI-Indikator 10
Wie auch sein Vorgänger EI (EI V1.0, 2012) stellt der Entsorgungsindikator EI10 (EI10 V2.0, 2018)dasmit Entsorgungs- und Verwertungseigenschaften gewichtete Volumen aller betrachteten Bauteilkonstruktionen und Bauteilschichten dar, die im Gesamtlebenszyklus eines Gebäudes anfallen. Das bedeutet, dass auch die zur Entsorgung anfallenden Baustoffe aus Austausch- und Erneuerungszyklen (über 100 Jahre) miterfasst werden.
Durch eine flächengewichtete Mittelung der Indikatoren aller Konstruktionen wird dann der Entsorgungsindikator EI 10 für das Gebäude errechnet.
5 wichtige Änderungen gegenüber der älteren Version:
- Der Wertebereich des Entsorgungsindikators auf Gebäudeebene: Die Ergebnisse sind gegenüber der älteren Version um den Faktor 10 erhöht worden, woraus sich auch der neue Name EI10 ableitet. Bewertet wird in einer Skala von 20 bis 45, 20 stellt dabei das beste Ergebnis auf BG3 Ebene dar. Somit wird auch eine klare und differenzierte Trennung der aktualisierten Berechnungsmethode gegenüber der älteren (Bewertungsskala: 1,0 bis 3,0 auf Gebäudeebene) gewährleistet.
- Die Entsorgungs- und Verwertungseinstufungen sowie Nutzungsdauern einzelner Baustoffe je nach Einbauart: So wurde unter anderem die Nutzungsdauer von Wärmedämmverbundsystemen auf 35 Jahre herabgesetzt, bei Fußbodenbelägen und Abdichtungsbahnen wurde stärker differenziert. Die theoretische technische Lebensdauer einzelner Bauprodukte wurde hiermit an die tatsächlichen Gebrauchsdauern angepasst.
- Die Bezugsgröße auf Gebäudeebene: Anstelle der gesamten Konstruktionsfläche wird nun die Summe aller in der Bilanzgrenze betrachteten Außenbauteilflächen plus 25% aller betrachteten Innenbauteilflächen herangezogen.
- Die Fraktionszahlabminderung: entfällt.
- Neu ist, dass Fenster und Türen miterfasst werden.
Berechnen kann man den neuen Indikator EI10 gemeinsam mit dem Ökoindex OI3 ohne zusätzliche Datenerfassung, mit dem online Tool Eco2soft der baubook-Plattform, wo er auf Gebäudeebene entweder in der Bilanzgrenze 1 (BG1) vereinfacht geführt werden kann oder detailliert für das gesamte Gebäude in der Bilanzgrenze 3 (BG3).
Die BG1 umfasst die thermische Gebäudehülle, mit allen Konstruktionen (inklusive Abdichtungen, hinterlüfteten Fassadenelementen, Dacheindeckungen etc.) sowie sämtliche Trenndecken im Gebäude. Bei der BG3 werden zusätzlich alle Innenbauteile sowie alle Bauteile der nicht konditionierten Bereiche miterfasst. Nicht bilanziert werden alle Haustechniksysteme, offene Stiegenhäuser oder Laubengänge, Balkonplatten und -trennwände sowie Außenanlagen.
Eine detaillierte Beschreibung der Methodik ist im Leitfaden zur Berechnung des Entsorgungsindikators EI Kon von Bauteilen und des Entsorgungsindikators EI10 auf Gebäudeebene (V2.0, Ausgabe 2018) enthalten.
Der EI 10 – Rechnen trägt zur Kreislaufwirtschaft bei
Auch wenn heutzutage Rohstoffknappheit im Bauwesen noch kein zentrales Thema ist, so zeichnet sich doch ab, dass wir in Zukunft Bauteile und Baustoffe vermehrt wiederverwenden, recyclen oder verwerten müssen, denn bereits heute sind Deponieflächen Mangelware. Wer den Entsorgungsindikator berechnet, kann vorausschauend planen und konstruieren und weiß schon in einer frühen Planungsphase, wie gut das Bauvorhaben am Ende des Lebenszyklus den Ansprüchen genügen wird. Das erfüllt damit nicht nur die Pläne der EU, sondern gibt Bauherrn und Immobilienbesitzern Sicherheit.
Zusätzlich ist die Berechnung des neuen Entsorgungsindikators EI10 fixer Bestandteil nachhaltiger Gebäudebewertungssysteme in Österreich. Auch den Zertifikaten wie klimaaktiv Bauen und Sanieren, ÖGNB, IBO Ökopass oder Vorarlberger Kommunalgebäudeausweis ist die Abfallvermeidung ein wachsendes Anliegen.
Die standardisierte Berechnungsmethode des Entsorgungsindikators EI10 ermöglicht eine klar geregelte Nachweisführung für die Erfüllung des Kriteriums Entsorgung bei den Gebäudezertifikaten. Mit der Berechnung des EI10 können zusätzliche Punkte gewonnen und die Gesamtbewertung verbessert werden. Dabei muss ein EI10-Wert von 45 für das Gebäude als Mindestanforderung erreicht werden. Die Bestbewertung erhält man bei einem Wert von 20.
Letztendlich zeigt der neue EI 10 deutlich, welchen großen Einfluss Planungsentscheidungen auf die spätere Wiederverwendung und -verwertung von Baustoffen und Bauteilen haben. Die Ansprüche an die Entsorgung sowie das Interesse an innovativen und zukunftsfähigen Konzepten werden mit größter Wahrscheinlichkeit in den nächsten Jahren steigen. In der Wiederverwendung liegt das große Potenzial, einen sinnvollen Beitrag zur vollständigen Kreislaufwirtschaft zu liefern.
[1] EU action plan for the Circular Economy, 2015 https://ec.europa.eu/environment/circular-economy/first_circular_economy_action_plan.html
[2] Bundesabfallwirtschaftsplan 2017 https://www.bmk.gv.at/themen/klima_umwelt/abfall/aws/bundes_awp/bawp.html
[3] Waltjen, T., et al, Passivhaus-Bauteilkatalog – Ökologisch bewertete Konstruktionen – Details for Passive Houses – A Catalogue of Ecologically Rated Constructions (Hg. vom IBO – Österreichisches Institut für Baubiologie und -ökologie, Springer, Wien, 2003, 3. Auflage 2009).
IBO ist Mitglied der ACR - Austrian Cooperative Research, einem Netzwerk von 18 außeruniversitären Forschungsinstituten, die angewandte Forschung und Entwicklung für Unternehmen, speziell für KMU, betreiben. www.acr.ac.at