Der aspern klimafit 2.0 Gebäudestandard
Zentraler Anspruch des Gebäudestandards aspern klimafit 2.0 ist die Bereitstellung von Gebäuden und Quartieren, die im Jahr 2040 den Anforderungen einer treibhausgasneutralen Wirtschaftsweise entsprechen und damit die Ziele und Strategien zur Bekämpfung des Klimawandels bestmöglich unterstützen. Die Kriterien sind ökologisch konsequent und gleichzeitig mit Augenmerk auf wirtschaftliche und soziale Qualitäten formuliert. Die neuen Anforderungen sind zudem weitestgehend eingebettet in bereits existierende Qualitätskriterien der Seestadt. Entwickelt wurde der Gebäudestandard von der FH Technikum Wien, dem Institute of Building Research & Innovation ZT GmbH sowie Urban Innovation Vienna im Auftrag der Wien 3420 aspern Development AG. Gegenüber aspern klimafit (2020) wurden die Qualitätskriterien für aspern klimafit 2.0 (2024) nachgeschärft sowie um das Qualitätskriterium 7 – Zirkularität – erweitert.
Qualitätskriterium 5: CO2-reduzierte Gebäudeerrichtung
Dieses aspern klimafit 2.0 Qualitätskriterium fokussiert auf die Treibhausgasemissionen, die aufgrund der Klimaerwärmung vordringlich einer Begrenzung bedürfen. Für die baufeldbezogenen Treibhausgasemissionen bei der Errichtung wird ein Grenzwert und ein Zielwert definiert:
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Der Grenzwert ist für die hochverdichteten Bauweisen der Seestadt herausfordernd, kann aber mit aktuell gut verfügbaren Bauweisen unterschritten werden.
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Der Zielwert liegt ca. 30 % unter dem Grenzwert, die Unterschreitung kennzeichnet herausragende Gebäudeensembles. Im Zielwert wird auch die CO2-Speicherung berücksichtigt.
Details zu den methodischen Vorgaben gemäß Handbuch aspern klimafit 2.0 finden sich auf https://www.baubook.info/de/oekoprogramme/aspern-klimafit/co2-reduzierte-gebaeude.
CO2-Speicherung in Baustoffen gemäß aspern klimafit 2.0
Neben den direkt bei der Errichtung der Gebäude anfallenden Treibhausgasen wird auch die Speicherung von biogenem Kohlenstoff und die verstärkte Carbonatisierung berücksichtigt. Prozesse wie beispielsweise das Wachstum von Pflanzen (Photosynthese) oder die Carbonatisierung von gebrannten Kalkerzeugnissen wie Baukalk oder Zement können CO2 aus der Atmosphäre entziehen. Diese Prozesse verlaufen zeitlich variabel über lange Zeiträume. Die CO2-Speicherung bzw. die ihr zugrundeliegende Entnahme von Kohlendioxid aus der Atmosphäre wird in Ökobilanzen als negative Emission (mit einem negativen Vorzeichen) modelliert.
Wird CO2 von Biomasse (z.B. Holz, einjährige Pflanzen, Schafwolle) aufgenommen, spricht man von biogenem CO2. Die Menge an aufgenommenem CO2 wird aus dem biogenen Kohlenstoffgehalt (C-Gehalt) des Rohstoffs ermittelt. Für das Wachstum von 1 kg Holz (atro)[1] ist zum Beispiel die Aufnahme von 1,83 kg CO2 aus der Atmosphäre erforderlich. Es ist von Vorteil, wenn Holz nicht als Brennstoff genutzt wird, sondern über längere Dauer CO2 gespeichert werden kann. Andererseits könnte ein gefällter gesunder Baum in einem Wirtschaftswald länger im Wald stocken und damit weiter CO2 aufnehmen. In aspern klimafit wird die CO2-Aufnahme auf Basis wissenschaftlicher Untersuchungen differenziert betrachtet und auch die CO2-Bindung nach der Ernte von Bäumen durch die Nachpflanzung in nachhaltiger Waldbewirtschaftung berücksichtigt (Details sind im [Handbuch aspern klimafit 2.0], Seite 62, zu finden):
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Für Baustoffe aus biogenen Rohstoffen mit einem Jahr Umtriebszeit werden 100 % des biogenen CO2-Speichers angerechnet (z.B. Stroh, Hanf, Flachs).
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Für Baustoffe aus Pflanzen mit längeren Umtriebszeiten, wie Bäumen, wird nur der Anteil angerechnet, der zusätzlich zu einem außer Nutzung gestellten Wald gebunden wird. Dies entspricht einem Wert von insgesamt 55 % des enthaltenen biogenen CO2.
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Für Holz, das nachweislich aus Bäumen mit Borkenkäferbefall, Windwurf etc. entstammt (Kalamitätenholz), wird 100 % des biogenen CO2-Speichers berücksichtigt.
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Für Rohstoffe aus Recyclingmaterialien (Altholz, Altpapier etc.) wird 100 % des biogenen CO2-Speichers berücksichtigt.
Für mineralische Baustoffe, die unter den gegebenen Einbaubedingungen CO2 aufnehmen können, können in aspern klimafit ohne Nachweis 0,5 % für die natürliche Carbonatisierung im Indikator GWP-fossil angerechnet werden.
Diese Regeln wurden in baubook/eco2soft im Kennwertekatalog „aspern klimafit 2.0“ berücksichtigt. Weitere Details zur CO2-Speicherung in aspern klimafit 2.0 siehe https://www.baubook.info/de/oekoprogramme/aspern-klimafit/co2-speicherung
Nachweis mittels baubook eco2soft
Folgende neue Features in eco2soft ermöglichen den Nachweis zum Qualitätskriterium 5 – CO2-reduzierte Gebäudeerrichtung:
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neuer Kennwertekatalog „aspern klimafit 2.0“ mit Ökobilanz-Richtwerten gemäß den methodischen Vorgaben
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Katalog an 70 Beispiel-Bauteilen, die in das eigene Gebäude importiert werden können
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10 Mustergebäude in unterschiedlichen Bauweisen, die als Vorlage übernommen werden können
So kann der Eingabeaufwand auch für mit eco2soft bislang nicht vertraute Nutzer:innen sehr gering gehalten werden – für eine schnelle und dennoch treffende Abschätzung genügt es, die Flächendaten des entsprechenden Mustergebäudes anzupassen. Gleichzeitig besteht die volle Flexibilität, unter Beachtung der aspern klimafit 2.0 Modellierungsregeln die Berechnung anzupassen. Zum Beispiel können die Konstruktionen abgeändert und Datensätze durch Produkt-Kennwerte ersetzt werden, für die eine Umweltproduktdeklaration (EPD) laut Qualitätskriterien der österreichischen EPD-Plattform vorliegt.
Ausblick
Am 19.12.2024 wurde die erste Ausschreibung veröffentlicht, in der der Nachweis für das Qualitätskriterium 5 – CO2-reduzierte Gebäudeerrichtung gefordert ist. Wir sind zuversichtlich, mit den Erweiterungen in eco2soft ein Tool zur Verfügung zu stellen, das bei der Bewertung von Projektentwürfen schon in der Wettbewerbsphase sehr einfach und schnell die Konformität mit den Zielen von aspern klimafit 2.0 von Anfang an sichert.
Links
https://www.aspern-seestadt.at/wirtschaftsstandort/innovation__qualitaet/nachhaltigkeit
Quelle
Handbuch aspern klimafit 2.0, September 2024.Fachhochschule Technikum Wien, Kompetenzfeld Renewable Energy Systems (DI Thomas Zelger, Jens Leibold MSc., Simon Schneider MSc., Flora Bachleitner BA BSc., Jasmin Helnwein MSc.); Institute of Building Research & Innovation (DI Dr Peter Holzer); Larix Engineering GmbH (David Stuckey MSc., Drin Annekatrin Koch, Bettina Doser MSc.); Drexel reduziert GmbH (Ing Christof Drexel); UIV Urban Innovation Vienna GmbH (DIin (FH) Petra Schöfmann, MSc.).
[1] Die Abkürzung „atro“ steht für absolut trockenes Holz, also Holzmaterial mit einem Wassergehalt von 0 %. Quelle: klimaaktiv (https://www.klima-aktiv.at/erneuerbare/energieholz/werkzeuge-und-hilfsmittel/umrechnungsfaktoren.html)