Objekt
Das Schleusengebäude und Kettenmagazin Nussdorf wurde zwischen 1898 und 1899 als Ergänzung zur Wehr- und Schleusenanlage (1894-1898) nach den Plänen von Otto Wagner errichtet. Es wurde als Verwaltungsgebäude für die damalige „Donau-Regulierungs-Commission“, jetzt „Donau-Hochwasserschutz-Konkurenz“ (DHK) gebaut. Seit Juni 2017 ist das Gebäude Sitz der für die Wiener Gewässer und den Wiener Hochwasserschutz verantwortlichen Magistratsabteilung 45 – Wiener Gewässer.
Das drei- bzw. viergeschoßige im Stil der Sezession errichtete Gebäude mit seinem markanten Dachaufsatz (Laterne) und dem weit auskragenden Dach steht unter Denkmalschutz. Der Eigentümer hat im Jahr 2016 in einer ersten Bauphase eine statische Sanierung bzw. Ertüchtigung des Gebäudes und eine Adaptierung der Büroräume durchgeführt.
In Abstimmung mit dem BDA wurde in einer zweiten Bauphase mit Beginn 2023 die Außenhülle des Gebäudes saniert und eine farbliche Wiederherstellung des historischen Erscheinungsbildes angestrebt. So erhielten insbesonders die Metallteile mit einem gebrochenen Weiß und die Fensterrahmen mit einem Braunton ihre originale Farbgestaltung zurück. Beide Bauphasen wurden von Herrn Baumeister Ing. Wolfgang Czernylofsky, Büro Metz & Partner, als Projektverantwortlichen (Planung, Ausschreibung, ÖBA) betreut.
Planung
Im Rahmen der Vorprojektierung einer thermischen Fenstersanierung wurde die Firma Wiener-Komfort-Fenster Lux GmbH im Jahr 2021 mit der prototypischen Umsetzung eines Fensters beauftragt. Im Raum 2.02 erfolgte der Tausch der inneren Flügelebene gegen ein neues isolierverglastes Innenfensterelement System WienerKomfortFenster aus Holz.
Das System WienerKomfortFenster wurde speziell für die thermische Sanierung historischer Kastenfenster entwickelt. Schlanke Profile, hochwertige Isolierverglasung, 2 durchgehende Dichtungsebenen und verdeckte Beschläge zeichnen das System aus.
Der Prototyp wurde in der bestehenden Fensterteilung mit Sprossen und 3-fach Isolierverglasung gebaut. Die Innenflügel erhielten einen Holzimitat-Pinselanstrich.
Die messtechnische Evaluierung des Prototypen wurde vom IBO durchgeführt.
Die im Zuge der weiteren Planung durchgeführten Recherchen ergaben, dass die bestehende Fensterteilung mit gleich hohen Ober- und Unterlichten mit zusätzlichen Sprossen zur Verstärkung nicht dem der ursprünglichen Fensterteilung entsprach.
Historische Unterlagen (Pläne und Fotos) zeigen niedrige Oberlichten im Querformat und extrem hohe, sprossenlose untere Flügel. Sie wiesen in Hinblick auf die technischen Möglichkeiten des Fensterbaues um 1900 und der exponierten Lage des Gebäudes durchaus experimentellen Charakter auf. So waren die Fenster in der Originalteilung vermutlich den extremen Anforderungen am Standort in Hinblick auf Stabilität und Schlagregendichtheit nicht gewachsen und wurden aus diesem Grund später verändert.
Die Besonderheit an diesem Standort ist, dass die Winddüse Leopoldsberg/Bisamberg den Regen mit bis zu 100 km/h an die Fassade und letztlich durch beide Fensterebenen treibt. Es wurde daher nach einer Lösung gesucht, die eine aufrechte Schlagregenprüfung vorweisen konnte. Als Lösung wurde das ALU-System Aldura der Firma DILA gefunden. Die in eigener Produktion gefertigten schlanken Profile wurden speziell für historische Kastenfenster entwickelt.
Zudem gibt es eine gleitende Klemmbefestigung, sodass auch bei Gebäudebewegungen die für die Schlagregendichtheit erforderliche Ausrichtung von Flügel und Stock unverändert bleibt.
Das Bundesdenkmalamt konnte von dieser Lösung überzeugt werden und erteilte eine Ausnahmegenehmigung.
Die Bewilligung des Holz-Innenfensters erfolgte in der neuen Teilung mit einer 2-fach Sonnenschutzverglasung (Ug= 1,0 W/m²K, Rw = 35dB) sowie wie beim Prototypen mit zwei Dichtungsebenen, verdeckten, justierbaren Bänder und Mehrfachverriegelung.
Nach einem öffentlichen Vergabeverfahren wurde die Arbeitsgemeinschaft Wiener-Komfort-Fenster Lux GmbH / Wöhrer Fenster-Türen Technik GmbH mit der Umsetzung beauftragt. Als Subunternehmer waren die Firma DILA, für die Lieferung und Montage der Alu-Außenfenster sowie die Firmen Tischlerei Huber und
Malermeister Janda, für die Sanierung der bestehenden Kastenstöcke vor Ort tätig.
Ausführung
Die Umsetzung erfolgte geschoßweise bei laufendem Bürobetrieb. Um die durch die Fassadensanierung gegebene Staub- und Lärmbelastung (Sandstrahlen) zu reduzieren, wurden zuerst die dichten, schalldämmenden Innenfenster montiert. Anschließend wurden die Außenfenster abgebrochen, der Kastenstock saniert und außen die neuen Alufenster montiert.
Für die im Dachüberstand der Ost- und Südfassade nistenden Mauersegler wurden vorgesetzte Ersatzbrutplätze geschaffen und die Fenstermontagen in diesem Bereich terminlich vorgezogen, da zum Schutz der Vögel während der Brutzeit keine Lärm-, Staub- oder Geruchsbelästigungen im Nahbereich der Nester erlaubt waren.
In den Ebenen 2, 3 und 4 wurden die neuen Innen- und Außenfenster an die bestehenden Kastenstöcke montiert. Der äußere Alufensterstock wurde mittels Kellen-Schnitt vom Außenputz getrennt, da die Außenebene gegenüber dem Gebäude beweglich bleiben muß. In der untersten Ebene 1 wurden aufgrund der Steinfassade und der bestehenden Fenstergitter auch die bestehenden Kastenstöcke abgebrochen und das gesamte Fenster von Innen montiert. Der äußere Anschluss des Aluminium Fensterstocks an das Steingewände erfolgt durch ein Silikontrockendichtungsprofil gleitend, das über einem Glattstrich an den Granit anschließt.
Ein Fenster aus der Serienproduktion wurde im Rahmen der Qualitätssicherung am Prüfstand der MA 39 auf Wärmedämmung und Schlagregendichtheit geprüft:
Die U-Wert-Prüfung für Typ A (Ebene 1) ergab für das Gesamtsystem einen standardisierten Wärmedurchgangskoeffizient von Ust = Uw-Wert von 1,04 W/m²K.
Bei einer weiteren Prüfung konnte die Schlagregendichtheit des Außenfensters sowie die Luftdichtheit bzw. mechanische Stabilität des Innenfensters bis zu einem maximalen Prüfdruck von 600 Pascal (entsprechend einer Windgeschwindigkeit > 100 km/h) nachgewiesen werden.
Die Außenseite des Außenfensters wurde pulverbeschichtet und reduziert den künftigen Erhaltungsaufwand.
Messung / Baupysik
Im Zuge der geplanten Sanierung wurde das IBO vom Auftraggeber mit einer messtechnischen Begleituntersuchung zum geplanten Fenstertausch beauftragt.
Energieeinsparung und thermische Behaglichkeit
Die Temperaturen der raumzugewandten Glasscheibe lagen deutlich höher als jene des Bestandsfensters (Kastenfenster). In einer längeren Periode mit Außentemperaturen um -1 °C wurden in mehreren Nächten um vier Grad höhere Temperaturen mit rd. 19 °C gemessen. Die in situ erhobenen Messdaten entsprachen den zu erwartenden Ergebnissen lt. Leistungskenndaten wobei das Kastenfenster (Einstufung lt. Literatur UW von 2,58 W/m²K) etwas besser abschnitt als angenommen. Im Kastenzwischenraum wurden beim WienerKomfortFenster mit 8 °C rund drei Grad weniger gemessen als beim Bestand.
Die Reduktion der Wärmeverluste (Transmission) durch den Fenstertausch werden rechnerisch um rund 67 % reduziert. Bei den standorttypischen Heizgradtagen von 3218 Kd (HGT 20/12) entspricht dies 434 kWh pro Jahr. Bei den hier verwendeten Heizgradtagen geht man von 20 °C Innenraumtemperatur und einem ausschließlichen Heizbetrieb bei Außentemperaturen unter 12 °C aus. Da in dem vorliegenden Fall die Innenraumtemperaturen im Durchschnitt bei rund 23 °C liegen, kann mit zusätzlichen Einsparungen gerechnet werden. Zusätzlich verringern sich die Wärmeverluste durch den luftdichten Einbau der Innenflügel.
Durch den Tausch der Fenster ergibt sich eine deutliche Steigerung des thermischen Komforts durch verringerten Kaltluftabfall an den Fensterscheiben. Der Heizkörperbetrieb kann reduziert werden und damit die Luftfeuchtigkeit im Winter erhöht, was sich wiederum positiv auf das Wohlbefinden auswirkt. Die Lärmbelastung durch den Straßenverkehr konnte zudem stark reduziert werden. Dem solaren Energieeintrag, dem hauptsächlich nach Osten und Westen ausgerichteten Objekt, wird durch Sonnenschutzverglasung und dem im Fensterkasten bereits vorhandenen Sonnenschutzrollos entgegengewirkt.
Fazit
Durch die Anwendung moderner Technologien und neuen Lösungsansätzen konnten im Schleusengebäude die Anforderungen von Klimaschutz und Nachhaltigkeit in einem denkmalgeschützten Gebäude beispielhaft umgesetzt werden. Das Gebäude hat zum Jubiläum 125 Jahre nach Errichtung seine ursprüngliche Eleganz wiedergewonnen und ist für die Zukunft gerüstet.