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Fluktuierend und low
Forschungen zur Nutzer*innenakzeptanz von Maßnahmen zur Gebäude-energieoptimierung

So gern wir Menschen selbstbestimmt leben – in vielen Bereichen unseres Alltags sind politische Eingriffe sinnvoll und auch nicht wegzudenken. Im zu Beginn dieses Jahres beschlossenen Regierungsprogramm für 2020–2024 ist beispielsweise die weitestgehende Umstellung der Gebäudewärme und –kälte von fossilen auf erneuerbare Quellen bis 2040 vorgesehen.(1 Das bedeutet, dass bis dahin Öl-, Kohle- und fossile Gasheizungen durch Heizungen auf Basis erneuerbarer Energieträger (Biomassetechnologien, Fernwärme, Geothermie, Solar- und Windnutzung) ersetzt werden müssen.

ForschungPassivhaus & Plusenergie GebäudeHaustechnik

Diese Neuerungen und Umstellungen werden in einem ersten Schritt meist durch Empfehlungen, später durch finanzielle Anreize und schließlich durch gesetzliche Ge- und Verbote eingefordert. Aber bevor es soweit ist, sind Untersuchungen zu deren Sinnhaftigkeit und Umsetzbarkeit erforderlich. Denn die zur Erreichung der notwendigen und ambitionierten Ziele eingesetzte Technik ist immer nur so gut wie die Bereitschaft und Informiertheit der Menschen, die sie bedienen.

Energieflexible Gebäude

Das IBO forscht zurzeit an zwei Projekten, deren Ergebnisse Erkenntnisse zu möglichen Maßnahmen im Bereich der Gebäudeenergiebereitstellung und -einsparung liefern sollen.

FLUCCO+(2 ist ein von der FH Technikum Wien gemeinsam mit acht Partner*innen im Rahmen von Stadt der Zukunft durchgeführtes Projekt mit dem Ziel, die Planungsgrundlagen für die Errichtung und den Betrieb energieflexibler Bestands- und Neubauten zu verbessern. Die im Regierungsprogramm festgeschriebene Dekarbonatisierung des Wärmemarktes bedingt den Einsatz regenerativer Energiequellen, die jedoch teils nur fluktuierend zur Verfügung stehen (Sonnen- und Windenergie) und deren Gewinne für ein konstantes Energieangebot gespeichert werden müssen. Die begrenzte Verfügbarkeit von Speichern sowie deren Ent-
lastung werden somit die große Herausforderung bei der Umsetzung der geplanten Klimaschutzmaßnahmen. Eine Lösung ist die Anpassung des Verbrauchs an die volatile Produktion, und das soll mit energieflexiblen Gebäuden erreicht werden. Energieflexibel bedeutet, dass die im Bereich der Gebäudeenergie auftretenden Lasten (z. B. Heizen, Kühlen, Warmwasser, Haushaltsgeräte) zeitlich verschoben werden können. Das IBO erhebt im Projekt die Nutzer*innenakzeptanz energieflexibler Angebote durch Untersuchungen in der sogenannten Fassadenprüfbox(3; Untersuchungen in realen Gebäuden werden unter IBO-Begleitung von Sozialwissenschaftlern der FHTW durchgeführt. Somit erfolgt sowohl unter Labor- als auch Realbedingungen ein Ausloten der Grenzen des Komfortbereichs – jeweils unter Berücksichtigung diesbezüglicher Regelwerke – im Zusammenhang mit potentieller Lastverschiebung des fluktuierenden Energieangebots.

Low-tech

Die Einbeziehung der Nutzer*innen ist essentiell für die Akzeptanz der Energiewende und die Transformation des Energiesektors. Damit energieoptimierende Maßnahmen aufgegriffen und akzeptiert werden, sind monetäre Anreize alleine nicht ausreichend – sie müssen auch einfach zu regeln sein und die Behaglichkeit sicherstellen. In dem Forschungsprojekt "Nutzer*innenkomfort durch low-tech Konzepte in Gebäuden" erhebt das IBO gemeinsam mit der FHTW und wohnbund:consult in zwei sogenannten low-tech-Verwaltungsgebäuden die Zufriedenheit und Behaglichkeit der Mitarbeiter*innen.
In einem ersten Schritt ist jedoch klarzustellen, was der Begriff low-tech bedeutet. Denn was so so kurz und griffig klingt, ist im Gebäudebereich bei genauerer Betrachtung gar nicht so einfach auszumachen. Eine Hütte ohne Elektrizität und fließendes Wasser? Aber ist das nicht eher no-tech? Der Begriff -tech impliziert, dass es sich um Technik handelt - aber schon daran scheitern so manche Definitionsversuche.
Technik kann sowohl als Methode (1) als auch als Sach-
system (2) verstanden werden. In Verbindung mit Gebäuden ist damit einerseits die Herangehensweise bei der Planung zu verstehen – beispielsweise die Antwort auf die Frage, mit welcher Gebäudeausrichtung und Baukörpergestaltung Sonnenenergie optimal genutzt werden kann (1). Andererseits sind die eingesetzten Materialien zur Gebäudeerrichtung (Holz, mineralische Baustoffe usw.) generell und die bereitgestellten Mittel zur Gebäudetemperierung speziell (Heiz-, Kühl-, Lüftungsanlage usw.) (2) gemeint. So gesehen kann es no-tech gar nicht geben.
Die durchdachte Planung eines Gebäudes unter Berücksichtigung von Standortklima, Ausrichtung, Nutzer*innen-ansprüchen und vieler anderer Aspekte ist eine Methode (1), um die haustechnischen Anlagen (2) auf ein erforderliches Minimum unter Erfüllung des Nutzer*innenkomforts zu reduzieren – so unsere vorläufige Definition für low-tech. High-tech-Lösungen hingegen nutzen technische Anlagen, um den klimatischen Kontext des Gebäudes nicht mehr spürbar zu machen, sondern weltweit dasselbe enge Komfortfenster zu garantieren. So sehen wir Stahl-Glas-Konstruktionen in Dubai und Toronto, in Nairobi und New-York, in Salzburg und Singapur. Eines ist diesen Konstruktionen gemeinsam: Sie erfordern hier wie dort einen immensen Energieeinsatz, um sie im Sommer wie im Winter entsprechend zu klimatisieren.
Die sogenannte traditionelle Architektur greift Umfeldgegebenheiten auf – sie ist eine Reaktion auf Klima, vorhandene Materialien und gesellschaftliche Ansprüche. Eine Rückkehr zu derlei Maßnahmen ist aufgrund des gestiegenen Komfortbedarfs in der westlichen Welt undenkbar, obwohl Aspekte davon teils übernommen werden. Nicht zuletzt aufgrund der Forderung nach einer Reduktion des Gebäudeenergiebedarfs und des damit verbundenen CO2-Ausstoßes kommen vereinzelt Maßnahmen zur Lüftung und Temperierung zur Anwendung, deren Grundgedanken auf traditionellen, auch als passive Systeme bezeichneten Konstruktionen basieren. So wird beispielsweise Frischluft unter Zuhilfenahme des Kamineffekts durch Gebäude geführt, oft mit vorheriger Kühlung bzw. Erwärmung der zugeführten Luft durch die Verlegung der Kanäle im Erdreich. In ähnlicher Weise wurden Kamineffekt und Druckdifferenz mittels als Windfänger bzw. Bagdir bezeichnete Konstruktionen in arabischen Ländern genutzt.
Es ist unabdingbar, sowohl ein Gebäude als auch die weltweite Energie- und Ressourcennutzung jeweils als Gesamtsystem zu betrachten. Nur die intelligente Bauwerksplanung unter Beachtung der gegebenen Klimakonditionen, Energie- und Materialressourcen ermöglicht, die zur Herstellung des Nutzer*innenkomforts erforderliche Sachtechnik zu reduzieren. Dieses Minimum an Anlagen muss robust und damit langlebig ausgeführt werden.
Auch wenn der Anteil der in Österreich gewonnenen erneuerbaren Energie steigt, dürfen wir nicht außer Acht lassen, dass auch der Gesamtenergiebedarf stetig zunimmt. Während die Bevölkerung Österreichs in den letzten 50 Jahren um rund 18 % zugenommen hat, stieg in diesem Zeitraum der Energie-Bruttoinlandsverbrauch um etwa 80 %.(4 Die Effizienzsteigerung Energie benötigender Produkte und Prozesse ist unabdingbar. Vor der Effizienzsteigerung kommt aber noch die Frage, wieviele Stromverbraucher überhaupt wirklich nötig sind. Unabhängig davon sind auch wir als Nutzende gefordert, manche Komforterwartungen zu hinterfragen und im Winter die guten alten Wollsocken überzuziehen. Auch eine Form von Technik…

1 Phase-out-Plan für fossile Energieträger in der Raumwärme, Regierungsprogramm 2020–2024, Seite 110 (https://www.bundeskanzleramt.gv.at/bundeskanzleramt/die-bundesregierung/regierungsdokumente.html)
2 FLUCCO+ – Flexibler Nutzer*innenkomfort in viertelstündlich CO2-neutralen Plusenergiequartieren, https://www.fluccoplus.at
3 https://www.ibo.at/meldungen/detail/data/fassadenpruefboxen-1
4 Der Bruttoinlandsverbrauch an Energie entspricht jener Menge an Energie, die notwendig ist, um den Inlandsverbrauch der betrachteten geografischen Einheit zu decken. Er umfasst den energetischen Endverbrauch, Netz- und Umwandlungsverluste, den Eigenverbrauch der Energiewirtschaft und statistische Differenzen. Quelle: STATISTIK AUSTRIA, Energiestatistik: Energiebilanzen Österreich 1970 bis 2018. Erstellt am: 27.11.2018. – Rundungsdifferenzen rechnerisch bedingt.

Kontakt

Eines der Untersuchungsgebäude ist das in Planung befindliche Sonnendorf Schwoich (Tirol)
© Kleboth und Dollnig
Das Alnatura Firmengebäude in Darmstadt
© Lars Gruber