Einleitung
Schon in der Antike begann man sich mit innenraumbezogenen Fragestellungen zu beschäftigen. In der Bibel wird im Alten Testament 3. Buch Mose, Kapitel 14 auf den Umgang mit Schimmelpilzbefall („Aussatz bzw. Ausschlag des Hauses“) und dessen Bekämpfung durchaus fachkompetent eingegangen („Das Haus soll man innen ringsherum abschaben und den abgeschabten Lehm hinaus vor die Stadt an einen unreinen Ort schütten“).
Im Mittelalter, jedoch auch schon davor, stellte sich die lebensnotwendige Frage nach der Lüftung von Bergwerksanlagen und Produktionsstätten, in denen mit gesundheitsschädlichen Substanzen gearbeitet wurde (z.B. Gerbereien). In Haushalten des europäischen Mittelalters brachte die nahezu flächendeckende Einführung des Kamins eine spürbare Verbesserung der Innenraumluftqualität, endlich war die Küche nicht mehr verraucht. Mitte des 19. Jahrhundert erforschte der deutsche Hygieniker Max von Pettenkofer den Zusammenhang von anthropogenen (menschlichen) Emissionen und Gesundheit und stellte erstmals einen Richtwert für die Substanz CO2 als Marker für vom Menschen abgegebene (anthropogene) Luftinhaltsstoffe in den Raum.
In den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts wendete man sich auf Grund der Einbringung von stark Schadstoffe emittierenden Materialien in Innenräumen (Stichwort Formaldehyd) verstärkt innenraumhygienischen Fragestellungen zu. Ab den achtziger Jahren spielte auch die zunehmende Dichtheit von Häusern eine große Rolle, es kam zu einer verstärkten Anreicherung von Schadstoffen und zu Schimmelbefall infolge hoher Luftfeuchtigkeit. Etwa ab dieser Zeit kann man von einer zunehmend eigenständigen Entwicklung des Bereiches Innenraum-klimatologie sprechen.
Das Gebiet geht über die Beschäftigung mit der Raumluft hinaus, es umfasst übergreifend neben stofflichen und biologischen Faktoren der Raumluft auch physikalische Einflüsse wie Temperatur, Luftfeuchte, Luftionen oder ionisierende Strahlung in Innenräumen (Radon). Ziel ist es letztendlich, Menschen ein optimales Wohn- und Arbeitsumfeld zu schaffen, das frei von schädlichen Einflüssen ist, die Behaglichkeit steigert und im günstigsten Fall auch die Leistungsfähigkeit erhöht.
Entwicklung der Innenraumanalytik in Österreich
In den frühen achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts wurde im deutschsprachigen Raum der Begriff der „ganzheitlichen“ Baukultur und Architektur geprägt. Gemeint war damit ein „auf den Menschen bezogenes“ Bauen, das weitgehend als Antwort auf die mechanistisch-funktionale Baukultur der sechziger und siebziger Jahre mit all ihren negativen Begleiterscheinungen wie geringe Energieeffizienz, Vereinzelung und Anonymisierung der Nutzer verstanden wurde. Mit dabei, wenn auch nicht im Zentrum der Diskussion, war die Beschäftigung mit negativen gesundheitlichen Einflussfaktoren der Bautätigkeit. Die Kritik an synthetischen Substanzen bei Bau und Innenausstattung von Räumen führte in Kürze zu diversen gesetzlichen Regelungen (PCP- und Formaldehydverordnung, Asbestverbot usw.).
So berechtigt die aufkommende Kritik der Baubiologie und -ökologie damals auch war, die von ihr gelieferten Antworten waren nicht immer praktikabel und zukunftsbezogen. Zum einen Teil lag das daran, dass man eher kritiklos überholte Konzepte aus der Vergangenheit wiederverwertete, die sich schon aus ökonomischen Gründen oder auf Grund mangelnder Praktikabilität nicht großflächig durchsetzten, zum anderen Teil am Fehlen von handwerklichen Erfahrungen mit derartigen Konzepten und Materialien. Der Großteil der baubiologischen Bewegung war jedenfalls zu dieser Zeit stark von technik- und wirtschaftsfeindlichen, ökofundamentalistischen Tendenzen geprägt. Man befürwortete die Rückkehr zur Natur und zu einer neuen Einfachheit. Es war die Zeit der geölten Holzfußböden, der Biotoiletten, der Erdkeller und der Kastenfenster mit dem Motto „Natur ist gesund!“. Im Bereich Innenraum blies man zum Generalangriff auf Lösungsmittel, Formaldehyd und Co.
Die Baukultur der achtziger Jahre war also von einem breiten konventionell geprägten Bereich dominiert, mit kleinen grünen Inseln, die sich zwar üppig entwickelten, deren oft exotische Pflanzen sich jedoch (noch) nicht am Festland durchsetzen konnten. Das Österreichische Institut für Baubiologie und -ökologie (kurz IBO, gegründet 1980) war so eine kreative Insel, auf der sich sowohl Träumer als auch in zunehmendem Maße praxisorientierte Visionäre verwirklichen konnten. Für die breite Bevölkerung war ökologisches Bauen zu dieser Zeit jedoch (noch) kein Thema.
Ab den neunziger Jahren kam es zu einer spürbaren Professionalisierung der bauökologischen Bewegung, die Ideen begannen in Institutionen und Universitäten vorzudringen und fanden dort zum Teil fruchtbare Erde vor. Ende der achziger Jahre etablierte sich am IBO unter der Leitung von Michael Gann und Univ. Prof. Noller der Arbeitskreis Chemie. Dieser war Ausgangspunkt für das Anfang der 90er-Jahre von Peter Tappler organisierte „Innenraum Mess- und Beratungsservice“, eine Unterorganisation des IBO, die sich auf das Messen und Bewerten von Innenraumfaktoren spezialisiert hat. Ein Meilenstein in der Entwicklung des ökologischen Bauens war die Gründung des Departments für Bauen & Umwelt auf der damals neu gegründeten Donauuniversität Krems durch Proponenten des IBO im Jahre 1996. Es begann sich, auch als Antwort auf rückwärtsgewandte, romantische Konzepte, eine neue integrale Baukultur durchzusetzen, die in Ökonomie und Ökologie keinen Widerspruch sah. Auch die Baustoffindustrie schwenkte in diesem Zeitraum auf wohlwollende Unterstützung dieser neu entstandenen Bewegung um, da sich hier offensichtlich neue, interessante und vor allem politisch korrekte Absatzmöglichkeiten auftaten.
Im Bereich der Innenraumklimatologie zeigte sich eine ähnliche Entwicklung. In Studien wurde festgestellt, dass natürliche Lösungsmittel mindestens so reaktiv und damit bedenklich sind wie synthetische, und dass Erdkeller in Radonrisikogebieten massiv den Eintritt des Naturstoffs Radon (ein radioaktives Edelgas) in bewohnte Räume begünstigen – kurz, dass Dinge nicht so simpel sind, wie bisher angenommen wurde. Es setzte sich insgesamt die Erkenntnis durch, dass „Natur“ auch bedenklich sein kann und dass sich die Wohngesundheit betreffenden Konzepte nur dann nachhaltig etablieren, wenn sie sowohl praktikabel als auch nicht zu aufwändig sind. Waren es zuerst umweltbewegte Kleingruppen und Betroffene, die in den Diskurs eintraten, weitete sich das Thema „Schadstoffe in Innenräumen“ rasch auf breitere, meist moderne und gebildete Bevölkerungsschichten aus. Rückenwind bekam die Entwicklung durch die wissenschaftlich abgesicherte Erkenntnis, dass durch eine gute, hygienisch einwandfreie Raumluft sowohl gesundheitliche, aber auch ungeahnte ökonomische Vorteile entstehen, die man bisher nicht genutzt hatte. Ohne Berücksichtigung der Themen Schadstofffreiheit und saubere, geruchsfreie Innenraumluft ist ökologisches Bauen mittlerweile undenkbar geworden.
Im Jahre 1995 trennten sich die Wege von der nunmehrigen IBO Innenraumanalytik OG unter der Leitung von Bernhard Damberger, Felix Twrdik und Peter Tappler formal vom Institut für Baubiologie und -ökologie. Sie entwickelte sich zu der Institution für gesunde Innenraumluft – eine enge Verbindung zum IBO ist aber nach wie vor gegeben.
Ab den späten neunziger Jahren begannen Institutionen und Fördergeber, auf den Bereich Baubiologie aufmerksam zu werden. Bauökologisch sinnvolle Konzepte flossen immer mehr in Bautechnikverordnungen, Fördervoraussetzungen und Normen ein. Im Jahre 1997 erschien die vom IBO gemeinsam mit dem Umweltministerium (jetzt BMNT) in mittlerweile in 6. Auflage herausgegebene Broschüre „Wegweiser für eine gesunde Raumluft“. Meilenstein war kurz danach die Gründung des Arbeitskreises Innenraumluft am Umweltministerium im Jahre 1999 unter der Leitung von Univ. Prof. Michael Kundi und dem im selben Jahr allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen Peter Tappler aus der IBO Innenraumanalytik. Der Arbeitskreis besteht bis heute und nimmt seit damals die Aufgabe wahr, österreichweite Richtwerte, Positionspapiere und Leitfäden für die Innenraumluft zu entwickeln.
Die Anfang des neuen Jahrtausends entstandene Diskussion über Erderwärmung gab dem Bereich ökologisches Bauen, in dem das Thema effiziente Energienutzung immer schon breiten Raum eingenommen hat, weiteren massiven Rückenwind. Um Lüftungswärmeverluste in Gebäuden zu verringern, wurde das Thema Luftdichtigkeit immer wichtiger bis hin zu den heute nahezu vollständig abgedichteten Gebäuden im Passivhausbereich. Schon bald merkte man jedoch, dass man durch Abdichten von Fenstern, Türen und der Konstruktion zwar massiv Energie einsparte, den Nutzern dadurch aber neue Probleme wie Schimmel oder mangelnde Luftqualität in den Wohnräumen bescherte. Die hygienisch notwendige Frischluftzufuhr kann bei dichten Gebäuden durch Fensterlüftung alleine in der Regel nicht hinreichend gewährleistet werden – eine Erkenntnis, gegen die auch heute noch manche Retroromantiker und aus deren Sicht „echte Baubiologen“ verbissene Abwehrgefechte führen. Es hilft aber nichts, die Physik lässt sich ungern ideologisch umdeuten: nach dem ersten Schritt – der Vermeidung von Lüftungswärmeverlusten – ist notwendigerweise der nächste Schritt zu machen: eine mechanische Lüftung von Büros und Wohnräumen mit Komfortlüftungsanlagen. Auch wenn man es nicht gerne hören möchte: Die Vorgaben der österreichischen bautechnischen Regelungen der Länder (präzisiert in den Kommentaren zur OIB-Richtlinie 3) sind in Wohnbauten, Schulen und Unterrichtsräumen ohne mechanische Lüftung nicht erreichbar.
Auch hier merkte man rasch, dass rein technische Lösungen mit oft unprofessioneller und billiger Ausführung den gewünschten Zweck – behagliche und gesunde Innenräume – dramatisch verfehlen. Die verstärkte Frischluftzufuhr wurde bei den ersten Anlagen mit winterlicher Trockenheit der Zuluft, sommerlicher Überwärmung und bei höherem Luftwechsel, wie er bspw. in Unterrichtsgebäuden notwendig wird, mit unangenehmen Zugerscheinungen erkauft. Moderne Lösungen verwenden daher bedarfsgerechte Systeme, Solewärmetauscher (aus hygienischen Gründen werden Luft-Erdwärmetauscher nicht mehr empfohlen) und Feuchterückgewinnung. Umfassende Hygienevorgaben, die auch in einschlägigen Normen vorgegeben werden, sorgen (zumindest theoretisch) für optimale Innenraumluft.
Einen weiteren Meilenstein stellten die ab 2007 österreichweit akkordierten Bauordnungen dar. Diesen Novellen liegen unter anderem die OIB-Richtlinie 3: Hygiene, Gesundheit und Umweltschutz und die OIB-Richtlinie 6: Energieeinsparung und Wärmeschutz zugrunde – es wird dadurch eine starke Ökologisierung der Bauordnungen erreicht.
Was ist im Innenraum wichtig?
Die Qualität eines Innenraumes wird von vielen unterschiedlichen Faktoren beeinflusst. Dazu gehören unter anderem der CO2-Gehalt der Raumluft, der wiederum abhängig von Belegung und Größe der Räume ist, sowie klimatische Einflüsse wie die Luftfeuchtigkeit oder die Lufttemperatur, deren Zusammenspiel bspw. die Schimmelbildung beeinflussen kann. Auch der VOC- und der Formaldehydgehalt, die von Art und Zusammensetzung der Materialien der Raumausstattung und Möblierung beeinflusst werden, tragen wesentlich zur Raumlufthygiene bei.
Vor allem die Art der Lüftung als auch das Bauproduktmanagement bei Errichtung und Betrieb eines Gebäudes üben einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf die Leistungsfähigkeit, die Gesundheit und das Wohlbefinden der Nutzer aus. Dies ist der Grund dafür, dass sich beide Punkte in nahezu allen Gebäudelabels als Vorgaben prominent wiederfinden. Die meisten innovativen Gebäudekonzepte – das bekannteste Beispiel ist das Passivhaus – sind fix mit Mindestanforderungen an die Lüftung der Räume verbunden. Der Grund dafür ist unter anderem, dass diese Art von Gebäuden nur mit sehr effizienter Wärmerückgewinnung, die es lediglich in Verbindung mit einer raumlufttechnischen Anlage gibt, die entsprechenden Kennzahlen erreichen kann.
Für die Behaglichkeit und Gesundheit der Nutzer sind prioritär die notwendige Luftmenge und -qualität, deren Einbringung in die Räume sowie die Auswahl und Emission vor allem der Innenausstattung von zentralem Interesse. Gesundheitsfördernde, „weiche“ Softskills wie eine ausgewogene Farb- und Lichtgestaltung, die akustische Situation und Faktoren wie die Luftionenkonzentration scheinen ebenfalls eine wichtige Rolle zu spielen, wenn es um Gesundheit und Behaglichkeit in Innenräumen geht.
Die Innenraumklimatologie wird erwachsen
Vor allem im letzten Jahrzehnt wurde versucht, durch Anwendung neuer, innovativer Techniken und Materialien die Situation im Innenraum gegenüber dem derzeitigen, gewohnten Zustand zu verbessern. Positive Innenraumfaktoren sollen vor allem die Leistungsfähigkeit verbessern und im Idealfall pathogene (krankmachende) Faktoren am Eintritt in den Innenraum hindern – das IBO nimmt hier eine zentrale Rolle bei der Vermittlung dieser Entwicklungen wahr.
Der wichtigste „positive“ Faktor ist vermutlich die Installation eines gut geplanten, ausgeführten und regelmäßig gewarteten Komfortlüftungssystems mit bedarfsgerechter (idealerweise CO2-abhängiger) Regelung und hochwertigen Zuluftfiltern. Schon bei der Filterqualität F8 wird der Eintrag von Allergenen wie Pollen signifikant verringert, weniger bekannt ist, dass auch der Feinstaubgehalt der Außenluft drastisch reduziert wird. Bei den Filterqualitäten gleicher Klasse gibt es große Unterschiede in der längerfristigen Wirksamkeit, es empfiehlt sich hier, nicht die billigste Variante zu wählen.
Die Ionenkonzentration in der Luft war bis vor kurzem ein wenig beachteter Aspekt bei der Bewertung der Luftqualität. Schon seit langer Zeit wird jedoch, wie Studien an Wasserfällen zeigen, vermutet, dass Luftionen Wirkungen auf den menschlichen Organismus besitzen. Da die Ionenkonzentrationen stark von klimatischen/ meteorologischen Faktoren abhängig sind, nahmen zahlreiche Autoren einen kausalen Zusammenhang mit wetterbedingten Beschwerden und mit Befindensstörungen in geschlossenen Räumen an. Als der Gesundheit zuträglich werden mitunter die natürlichen Außenluftkonzentrationen genannt, ein Abweichen in der Raumluft wurde als Störung des Raumklimas betrachtet. Wenn man jedoch genauer nachforscht, merkt man, dass die Innenraumluftkonzentrationen, auch in mechanisch belüfteten Häusern, die Konzentrationen der Außenluft signifikant überschreiten.
Neuere Studien unter Mitwirkung des IBO belegten, dass bspw. eine moderate Erhöhung der Ionenkonzentration durch eine spezielle, Ionen produzierende Wandfarbe zu günstigen Bedingungen für kognitive Leistungsfähigkeit führt. Zudem konnte eine positive Wirkung auf das vegetative Nervensystem statistisch signifikant nachgewiesen werden.
Milestones für die Raumluft
Vor allem in den letzten 10 Jahren stiegen die Anforderungen an die Raumluft signifikant an, es wurde eine erhebliche Zahl von Normen, Empfehlungen und Richtlinien veröffentlicht (Tab. 1).
Vorgaben für den Neubau und die Sanierung von Gebäuden wurden in den OIB-Richtlinien niedergelegt. Sie dienen als Basis für die Harmonisierung der gesetzlich bindenden bautechnischen Vorschriften und werden derzeit von fast allen Bundesländern zu diesem Zweck herangezogen und damit rechtlich verbindlich gemacht. Für die Innenraumklimatologie ist vor allem die OIB Richtlinie 3: Hygiene, Gesundheit, Umweltschutz relevant, daneben die OIB-Richtlinie 6 in Bezug auf Schimmelvermeidung. In den Bundesländern, in denen die OIB Richtlinie in die jeweiligen Bauordnungen übernommen wurde, sind die entsprechenden Vorgaben sowohl bei Neubau als auch bei größeren Sanierungsprojekten zu beachten und umzusetzen.
Um die eher allgemein gehaltenen Vorgaben der Bauordnungen in Bezug auf Schadstoffe und Lüftung mit konkreten Inhalten zu füllen und zu präzisieren, wurden seit 2003 vom Ministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus BMNT (damals BMLFUW) und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften Richtwerte zur Bewertung der Innenraumluft (z.B. Büros, Schulen und Wohnräume) erstellt. Diese Richtwerte, die in den Erläuterungen zur OIB-Richtlinie 3 erwähnt werden, liegen aus Vorsorgegründen weit unter Arbeitsschutzgrenzwerten. Innenraum-Richtwerte gelten für Wohnungen, aber auch für Büros und Schulen und andere Innenräume. Diese Richtwerte sind in der „Richtlinie zur Bewertung der Innenraumluft“ enthalten und sind auf der Website des BMNT gemeinsam mit Empfehlungen zu aktuellen Innenraumthemen, genannt „Positionspapiere“, veröffentlicht.
Für manche Schadstoffe, z.B. CO2 oder VOC (flüchtige organische Verbindungen) werden auf Grund der Tatsache, dass keine definierten Grenzen für Wohlbefinden und die Leistungsfähigkeit beeinträchtigende Konzentrationen vorliegen, sondern steigende Konzentrationen kontinuierliche Verschlechterungen der Raumluftqualität anzeigen, Kategorien gebildet, die die Luftqualität bezeichnen. In der Beurteilung in Bezug auf Mindest- und Zielvorgaben für den Parameter CO2 wird aus praktischen Gründen zwischen Innenräumen, in denen geistige Arbeiten stattfinden bzw. die zur Regeneration dienen und sonstigen Innenräumen unterschieden.
Bei genauem Hinsehen existiert keine scharfe Grenze, ab der ein Raum als „zu hoch belastet“ einzustufen ist, sondern es zeigt sich vielmehr ein fließender Übergang zwischen guter, akzeptabler und unzureichender Raumluft.
Schimmelbefall in Innenräumen ist ein eigenes spezielles Thema, Grenz- und Richtwerte sind hier nicht sinnvoll anzuwenden. Es existieren jedoch eine Reihe von Vorgaben für den richtigen Umgang mit dem Thema Schimmel in Innenräumen (bspw. die Positionspapiere des Arbeitskreises Innenraumluft am BMLFUW zu Schimmel und zu Technischer Bauteiltrocknung). Auf Grund der großen Unsicherheit auf diesem Gebiet und damit verbundenen unseriösen Angeboten mancher Professionisten wurde der unabhängige Bundesverband für Schimmelsanierung und Technische Bauteiltrocknung gegründet.
Für eine fachgerechte Umsetzung von raumlufttechnischen Anlagen dienen vor allem Normen und normähnliche Regelwerke (z.B. die vom Verein Deutscher Ingenieure herausgegebenen VDI-Richtlinien). Umfangreiche Links zu österreichischen und deutschen Grenz- und Richtwerten sowie Empfehlungen für die Innenraumluft findet man im Expertenteil von http://www.raumluft.org.
Ausblick
Nur hoffnungslose Retroromantiker träumen noch immer von einer Rückkehr zu einem fantasierten Idealzustand, als der manch ein Gebäudekonzept aus der Vergangenheit angesehen wird – dies meist ohne sich mit den Beschränkungen dieser aus gutem Grund überwundenen Bauformen auseinanderzusetzen. Da unsere Raumbedürfnisse wachsen und Energie immer knapper und sicher nicht billiger wird, wird es (mit begründeten Ausnahmen) keinen Weg zurück zu einfachen Gebäudekonzepten geben. Nachhaltiges Bauen bedeutet unter anderem Behaglichkeit, ausreichende Außenluftzufuhr und Freiheit von Innenraum-Schadstoffen. Grundsätzlich sollten gesunde Innenräume und Wirtschaftlichkeit keinen Widerspruch darstellen.
Der Weg geht eindeutig in die Richtung von smarten Detaillösungen, technischen Innovationen sowie zu einer effizienten Schulung von Planern und Professionisten. Schadstoffarme Bauweise und Lüftungsanlagen werden zum Standard für alle Gebäudekonzepte und erhöhen den Wert des Gebäudes. Gebäude ohne moderne raumlufttechnische (RLT)-Anlagen werden (bis auf wenige Ausnahmen, bspw. Büros) nicht den Bauordnungen entsprechen und dadurch einen Wertverlust erleiden. Bei RLT-Anlagen werden Hygiene- und Behaglichkeits¬standards ein zentrales Argument ihrer Annahme oder auch deren Ablehnung sein. Schlecht geplante und betriebene RLT-Anlagen fügen dagegen der Branche einen schwer wieder gutzumachenden Imageschaden zu. Die oft schwierig zu erfüllenden Bedürfnisse der Nutzer müssen viel besser berücksichtigt werden – sie sind wesentlich für die Akzeptanz von RLT-Anlagen.
Umgesetzt kann dies werden durch bedarfsgerechte Regelungsstrategien, Feuchterückgewinnung und aktive Befeuchtung bspw. bei Büros ohne relevante Feuchteproduktion sowie durch Auswahl gering emittierender Materialien. Die zunehmend speziellen Anforderungen neuerer Gebäudekonzepte verlangen jedoch auch eine stärkere Spezialisierung der Planer und der Ausführenden vor allem im Detailbereich, um Fehler und dadurch Unzufriedenheit zu vermeiden.
Auf eine adäquate Lüftung zu verzichten und damit das Bauen scheinbar zu vereinfachen bzw. zu verbilligen ist in jedem Fall ein Schuss ins eigene Knie. Zahlreiche Studien zeigen, dass die finanziellen Gewinne durch bessere Raumluft (vor allem in Schulen, aber auch in Schlafräumen) erheblich größer sind als die Kosten für Errichtung, Unterhalt und Reinigung der Anlage. Schon nach wenigen Jahren amortisieren sich daher hochwertige mechanische Lüftungsanlagen. In Schulen, in Wohnungen gehört gute Raumluft einfach schon zum Standard – wir wollen ja nicht dien Substandard von morgen bauen. Die Frage lautet daher: Können wir uns denn überhaupt leisten, Schulen und Wohnungen ohne Lüftungsanlagen zu bauen?