Ziel des Forschungsprojekts Smart City Mikroquartiere war die Entwicklung eines Tools, mit dem man vorhandene Potenziale und Qualitäten eines Areals rasch abschätzen kann. Die vorhandene bauliche Struktur, Lage, Energieinfrastruktur etc. bestimmen die Rahmenbedingungen für eine klimafreundliche Ausrichtung eines Siedlungsgebiets.
Die Grundidee der Smart City Mikroquartiere ist, das Gebiet in kleinere Bausteine – Mikroquartiere – zu zerlegen, die bereits alle wesentlichen Eigenschaften des Siedlungsgebiets aufweisen. Im Projekt wurden zwei Testareale untersucht: ein öffentlich gut angebundenes in Linz sowie ein kleinstädtisches Gebiet in Baden bei Wien. Als Ergebnis liegt ein umfangreicher Katalog an Optimierungsvarianten für drei Basismikroquartierstypen (Blockrand-, Zeilenbebauung und Einfamilienhaussiedlung) vor. Diese wurden anhand verschiedener Kriterien auf ihre Qualitäten in den Bereichen Lebensqualität, Umweltauswirkungen, Energieeffizienz und Wirtschaftlichkeit bewertet. Nur auf höherer Arealsebene lassen sich die Themenschwerpunkte Energienetze und Mobilität analysieren.
Wechselwirkungen zwischen Umwelt, Energie, Wirtschaft, Mobilität und Lebensqualität
Das Ideal der „Stadt der kurzen Wege“ lässt sich in vielen Fällen erreichen, wenn die NutzerInnendichte erhöht wird. Bei vermehrter Nutzung wird in die Qualität der Infrastruktur investiert. So kann eine Nachverdichtung das Viertel aufwerten, indem sie attraktive Angebote und belebte Plätze mit sich bringt. Hohe bauliche Dichte und Kompaktheit wirken sich zudem positiv auf die Energieeffizienz, Ökobilanz und Lebenszykluskosten aus.
Für die Akzeptanz und letztlich die Umsetzbarkeit einer Nachverdichtung im Mikroquartier ist ein Themenbereich des Bewertungssystems entscheidend: Lebensqualität. Dazu gehören so unterschiedliche Aspekte wie die Tageslichtversorgung, Schutz vor Lärmbelastung, die soziale Infrastruktur, Nutzungsvielfalt und das Angebot an öffentlichem und privatem Freiraum. Im Forschungsprojekt wurden die Mikroquartiere mittels üblicher städtebaulicher Untersuchungsmethoden bewertet. Die verschiedenen architektonischen Nachverdichtungsvarianten zeigen deutliche Unterschiede im Freiraumangebot und damit in der Bewertung der Lebensqualität.
Weniger offensichtlich ist, dass mit der Gestaltung des öffentlichen Raumes auch eine Stellschraube für umweltfreundlichere Mobilität zur Verfügung steht. Werden die Rad- und Fußweginfrastruktur optimiert und Shared Spaces eingerichtet, so ergab sich in der Simulation der Mobilität der ArealsbewohnerInnen eine starke Verschiebung vom motorisierten Individualverkehr hin zum Umweltverbund (Rad- und Fußverkehr sowie öffentliche Verkehrsmittel).
Wenn für eine gute Nutzungsmischung gesorgt ist und die Mikroquartiere für den Rad- und Fußverkehr durchlässig sind, werden insgesamt die Wege kürzer.
Die Nutzung Erneuerbarer Energie wirkt sich neben der Ressourcenreduktion auch in den Kategorien „Umwelt“ und „Wirtschaft(lichkeit)“ aus: Die Resultate der ökologischen und ökonomischen Lebenszyklusbetrachtung zeigen, dass die weitaus höchsten Aufwände bei der Betriebsenergie der Gebäude liegen und durch energieeffiziente Bau- und TGA-Standards sowie erneuerbare Energien massive Einsparungen möglich sind. Welche architektonische Nachverdichtungsvariante gewählt wurde, fiel dagegen kaum ins Gewicht.
In der Simulation der Energienetze auf Arealsebene wurde der Energiebedarf für Strom und Wärme berücksichtigt und eine Optimierung sowohl bezüglich Kosten als auch Emissionen angestrebt. Die Ergebnisse deuten in allen Fällen auf eine Elektrifizierung des Energiesystems hin, andere Energieträger verlieren an Bedeutung. Für die Deckung des Strombedarfs im gesamten Areal ist – besonders im Hinblick auf das Ziel der Emissionsreduktion – wieder die dezentrale Energieerzeugung durch PV wesentlich.
Anwendung an Stadtquartieren
Aus dem Forschungsprojekt steht ein Katalog an bewerteten Basismikroquartieren mit Nachverdichtungsvarianten zur Verfügung; diese Mikroquartiere können in adaptierter Form für weitere Stadtareale verwendet werden. Im Projekt sind wir auf sehr homogene Areale ebenso wie auf Areale mit mehreren Typologien gestoßen. Die Methode funktioniert umso besser, je selbstähnlicher das Areal ist.
Spannend für die Anwendung der Mikroquartiersmethode können soziale „Brennpunkte“ in größeren Städten oder leerstehende Ortskerne in Bezirkshauptstädten sein. Auch für Kommunen mit einem hohen Bestand an Eigengebäuden, womöglich mit Sanierungsbedarf, kann die Methode eine gute Entscheidungshilfe bieten. Zuzugsgebiete, z.B. entlang der Verkehrsachsen rund um Wien, stehen unter Druck, rasch Wohnraum zur Verfügung zu stellen und profitieren von einer schnellen Potenzialanalyse.
Das Projektteam um das IBO bietet interessierten Gemeinden vertiefende Beratung an. Die thematischen Schwerpunkte werden in Absprache mit dem Auftraggeber individuell gesetzt. Die IBO-MitarbeiterInnen analysieren das Stadtquartier in Hinblick auf langfristige Klimaschutzziele und identifizieren und empfehlen geeignete energetische Maßnahmen. Dies kann die Entwicklung von Sanierungsvarianten oder Maßnahmen zum Umstieg auf erneuerbare Energien bedeuten. Durch das interdisziplinäre Team geht der ganzheitliche Blick nie verloren; auch die Auswirkungen auf die Lebensqualität im Stadtareal oder die Gestaltung (öffentlicher) Freiräume sind zentrale Aspekte. Spezifische Angebote wie Mobilitätskonzepte oder Simulationen der Energienetze können durch die Partner abgedeckt werden.
Das IBO als langjähriges Mitglied des klimaaktiv Leitungsgremiums Bauen und Sanieren bietet darüber hinaus auch eine Verschränkung des Beratungsangebots mit der Initiative des BMNT „klima aktiv Quartiere“ - ein System zur Planung, Bewertung und Qualitätssicherung klimaverträglicher Siedlungen an.
Projektteam:
IBO - Österreichisches Institut für Bauen und Ökologie GmbH,
Kleboth & Dollnig,
FH Technikum Wien,
TU Wien, Energy Economics Group,
Umweltbundesamt GmbH
Das Projekt „Smart City Mikroquartiere“ wurde im Rahmen der Programmlinie Stadt der Zukunft des BMVIT gefördert.