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Ökologisierung der Bauweisen und Baumaterialien
Aktuelle Entwicklungen, Potentiale und Risiken

Diffusionsoffene Aufbauten können helfen, das Schimmelrisiko bei niedrigeren Raumtemperaturen zu senken. Dass sie oft aus nachwachsenden Rohstoffen sind, bedeutet darüber hinaus eine Ökologisierung.

BauphysikFeuchte und SchimmelpilzschädenRaumluftqualitätBaukonstruktionen & Baustoffe

Feuchteverhalten diffusionsoffener Konstruktionen und deren Auswirkungen

Wie viel Feuchte ein Baustoff aufnehmen kann ohne dadurch Schaden zu nehmen wird in erster Linie  durch dessen Materialeigenschaften bestimmt und kann anhand der Sorptionsisotherme (Abbildung 1) dargestellt werden.

Abhängig von der Baustoffbeschaffenheit kann Feuchtigkeit über die Dampfdiffusion hinaus ggf. auch kapillar transportiert und in Porenräumen eingelagert, dh. gespeichert werden. Wie Befeuchtungs- und Trocknungsprozesse ablaufen ist in Abbildung 2 und 3 schematisch dargestellt.

Abhängig von den anliegenden Klimabedingungen stellen sich im Baustoff und in der Konstruktion Feuchtegehalte bzw. eine Feuchteverteilung ein (Abbildung 4).
 
Die Gebrauchstauglichkeit diffusionsoffener Konstruktionen wird maßgeblich durch das Innenraumklima beeinflusst. Abbildung 5 zeigt dies anhand normativer innerer Feuchtelasten für gering/mittel/erhöht und hoch nach WTA. Es zeigt sich dass die Feuchtezustände an der betrachteten Position in der Konstruktion mit zunehmender Feuchtelast aus dem Raumklima hin zu einem kritischen Niveau verschieben in dem Schimmelbildung möglich wird.
 
Für die Beurteilung ob und wie lange kritische Feuchtezustände an und in der Konstruktion andauern dürfen wird über das Risiko von Schimmelbildung hinaus bei Holzbauteilen das Risiko von Holzverrottung ermittelt (Abbildung 6). Liegen die Feuchtezustände unter den Grenzkurven kann ein Schädigungsprozess ausgeschlossen werden.
 
Die Ökologisierung der Baustoffe führt zum verstärkten Einsatz von diffusionsoffenen Baumaterialien. Aus der Beurteilung des Schimmelrisikos ist bekannt, dass neben der Feuchte das Nährmedium eine wesentliche Rolle bei den Wachstumsbedingungen darstellt. Die Ökologisierung der Baustoffe führ damit zum verstärkten Einsatz von Baustoffen der Substratgruppe I – gut verwertbare Substrate (Abbildung 7), wodurch das Risiko von Schimmelbildung an und in der Konstruktion deutlich zunimmt.
 
Allgemein führt die Ökologisierung der Bauweisen zu hohen Anforderungen an Energieeffizienz, Rückbau, Kreislaufwirtschaft und Trennbarkeit. Dies führt dazu dass die Komplexität der Baukonstruktionen hinsichtlich des Optimierungsbedarfs in den einzelnen Themenbereichen deutlich zunimmt und gegebenenfalls sogar mit Zielkonflikten einhergeht. Im besten Fall nimmt die Anzahl der Bestandteile der Konstruktion ab bzw. wird der Schichtaufbau deutlich reduziert.
Wie bereits bekannt nimmt mit steigendem thermischen Standard die Auswirkung von Schwachstellen zu. Ebenso erhöht sich die Wirkung von Flankendiffusion wie im Newsletterbeitrag A bereits gezeigt.
Über die Ökologisierung der Baustoffe und Bauweisen hinaus ist aktuell auch eine Ökologisierung der Wärmeabgabesysteme zu beobachten. Die Umstellung auf Niedertemperaturheizsysteme führt – gerade bei Bauführungen im Bestand zu neuen kritischen Betriebszuständen, zu anderen Temperaturniveaus und zur Veränderung der Temperaturverteilung im Raum. Was bisher vielleicht gerade noch funktioniert hat birgt ggf. ein hohes Bauschadensrisiko. Das aber ganz unabhängig von der Bauweise und den Baustoffen.
Ein weiterer Aspekt mit hohem Bauschadensrisiko stellt die – nicht ganz freiwillige – Ökologisierung des Heizbetriebs dar. Die kostengetriebene Temperaturabsenkung führt aus bauphysikalischer Sicht zu kritischen Betriebszuständen. Die Oberflächentemperaturen im Raum sinken, während die Feuchteproduktion meist unverändert bleiben wird.
Aber auch die Ökologisierung im Herstellungsprozess birgt ungeahnte unerwünschte Effekte. Hier kann eine kostengetriebene Energieeinsparung bei der Produktherstellung zu veränderten Materialeigenschaften und damit einhergehenden Auswirkungen auf Verarbeitung und Betrieb führen.

Conclusio

Die Ökologisierung im Bauwesen führt zu neuen, bisher wenig betrachteten Themenschwerpunkten. Insbesondere die Ökologisierung im Bereich der Wärmeabgabesysteme bzw. des Heizbetriebs wird im kommenden Winter zu einer Vielzahl von Schadensfällen führen. Werden solch ungünstige Betriebszustände jedoch künftig in der Planung berücksichtigt können Bauschäden vermieden werden. Die Ökologisierung im Bereich der Baustoffe und Bauweisen ist dabei als Chance zu sehen, da die in der Regel sehr diffusionsoffenen Baustoffe und Konstruktionen das Potential von Feuchtespeicherung und Verteilung gut ausschöpfen und damit Feuchtespitzen abpuffern können und ggf. auch bei niedrigeren Raumtemperaturen insgesamt zu angenehmen Raumkomfort beitragen können.    

 

Kontakt

Abb. 1: Schematische Darstellung einer typischen Sorptionsisotherme eines porosierten mineralischen Baustoffs
Abb. 2 + 3: Schematischer Darstellungsablauf von Befeuchtungs- und Trocknungsprozessen
Abb. 4: Die Feuchteverteilung in einem Baustoff und einer Konstruktion ist abhängig von den anliegenden Klimabedingungen.
Abb. 5: Normative innere Feuchtelasten für gering/mittel/erhöht/hoch nach WTA.
Abb. 6: Beurteilung des Risikos von Holzverrottung bei Holzbauteilen.
Abb. 7: Verallgemeinertes Isoplethensystem für Sporenauskeimung (oben) und Myzelwachstum (unten), das für alle im Bau auftretenden Pilze gilt. Die im Bild dargestellten Diagramme gelten für optimales Substrat (links), für Substratgruppe I (mitte) und für Substratgruppe II (rechts).
Quelle: WTA Merkblatt 6-3-05 Bild 6.1