Dieser Zusammenhang ist von größtem Interesse für Planerinnen und Planer, weil das Ziel von Architektur und Haustechnik subjektiv zufriedene Nutzerinnen und Nutzer sein müssen. Die Zufriedenheit mit der thermischen Umgebung und der Luftqualität lässt sich durch geeignete bauliche und haustechnische Maßnahmen erreichen. Aber wie können geplante objektive Größen wie die Innenraumtemperatur und die Luftfeuchtigkeit in zufriedene Nutzerinnen und Nutzer umgerechnet werden?
Behaglichkeitsmodelle
An diesem Punkt kommen Behaglichkeitsmodelle ins Spiel. Das führende Behaglichkeitsmodell wurde Anfang der 1970er- Jahre von P.O. Fanger in seiner bahnbrechenden Arbeit Thermal Comfort [1] entwickelt, welches noch heute die Berechnungsgrundlage der EN ISO 7730 darstellt. Dabei werden das physiologische Geschehen im Körper und die physikalische Wechselwirkung des Körpers mit der Umwelt in einer Formel zusammengefasst und mit Behaglichkeitsurteilen von bewussten Personen in eine statistische Verbindung gebracht. Die Faktoren der Wärmeproduktion – z.B. die Stoffwechselrate und mechanische Arbeit – werden den wichtigsten Faktoren für die Wärmeabfuhr wie den thermischen Widerstand der Bekleidung, der mittleren Lufttemperatur, der relativen Luftgeschwindigkeit usw. gegenüber gestellt. Dies ist eine Wärmebilanzgleichung. Im thermischen Gleichgewicht ist die Differenz von Produktion und Abfuhr gleich Null. Kann das thermische Gleichgewicht ohne Regulationsanstrengungen aufrechterhalten werden, so empfindet die Person thermischen Komfort. Entfernt sich die Differenz von Wärmeproduktion und -abfuhr von Null, so wissen wir, dass der Körper und in weiterer Folge auch die bewusste Person regulierend eingreifen werden. Damit gehen alarmierende Körperwahrnehmungen einher, die sich im Laborversuch per Fragebogen als Wärmeurteile von Versuchspersonen abfragen lassen. Dies hat Fanger mit mehr als 1300 Versuchspersonen in Klimakammern getan und konnte so ermitteln, unter welchen Bedingungen von Wärmeproduktion und -abfuhr welches mittlere Urteil eines Kollektivs von Versuchspersonen (Predicted Mean Vote, PMV) zu erwarten ist. Aus der Predicted Mean Vote (PMV) errechnet sich die Predicted Percentage of Dissatisfied, PPD, als der Prozentanteil von „Unzufriedenen“ einer Population, der unter denselben Klimabedingungen die Angaben „kühl“ (-1) und „kalt“ (-2) bzw. „warm“ (+1) und „heiß“ (+2) machen wird. Bei der Erklärung dieser Größen wird stets betont, dass mehr als 95 % Zufriedene und weniger als 5 % Unzufriedene empirisch nicht vorkommen. In der Praxis hält man auch 10 % oder 15 % Unzufriedene noch für vertretbar. Aus derselben Tabelle (PPD als Funktion von PMV) geht aber auch hervor, dass selbst unter Bedingungen, unter denen PMV bei ± 2 liegt (= warm, kühl), noch über 20 % der Population zufrieden sein werden. Die Abbildung 1 zeigt die Psychophysische Beurteilungsskala für Predicted mean Vote (PMV) und die sich daraus ergebende Predicted Percentage of Dissatisfied (PPD) in Prozent.
Aus der PPD-Gleichung von Fanger/ISO 7730 geht hervor, dass bei optimalen Temperaturbedingungen noch immer mindestens 5 % einer statistischen Population unzufrieden sein werden. Neuere Literatur geht sogar von wesentlich höheren Prozentsätzen aus. So brachten Untersuchungen des Fraunhofer-Institutes für Bauphysik in Holzkirchen [3] das Ergebnis, dass unter homogenen thermischen Bedingungen mindestens 15 % der Versuchspersonen unzufrieden blieben. Eine Revision des Fanger‘schen 5 %- PPD-Minimums hin zu höheren Werten war auch zuvor schon durch mehrere andere Arbeitsgruppen vorgenommen worden.
Normalerweise hätte man erwarten können, dass mit fortschreitender Entwicklung immer ausgefeilterer Raumklimamaße die Antworten von befragten Personen immer besser mit diesen korrelieren. Dies war aber nicht der Fall, im Speziellen war die Antwortvarianz bei nicht klimatisierten Gebäuden sehr hoch. Abhängig von der lokalen Kultur und dem lokalen Klima können durch angepasste Kleidung Temperaturen zwischen 16 °C und 32 °C als akzeptabel angesehen werden, wie eine Auswertung von zahlreichen weltweit in verschiedenen Kulturen und Klimata durchgeführten Studien zum Wärmekomfort von Humphreys zeigen [4]. Dies führte zur Entwicklung von adaptiven Komfortmodellen. Bei den adaptiven Komfortmodellen spielen zusätzliche Faktoren wie klimatische Verhaltensanpassung, Gewöhnung und Erwartung eine wesentliche Rolle. Eine zentrale Rolle spielt dabei das Außenklima und die Erwartung an das Innenraumklima. Z.B. ist für nichtklimatisierte Gebäude in der ÖNORM EN 15251 (Eingangsparameter für das Raumklima zur Auslegung und Bewertung der Energieeffizienz von Gebäuden – Raumluftqualität, Temperatur, Licht und Akustik), ein adaptives Behaglichkeitsmodell die Basis. Als Komforttemperatur qc wird dabei ein linearer Zusammenhang zwischen der mittleren Außentemperatur und der Komforttemperatur qc unterstellt. Die Erwartungshaltung an den Raum bzw. das Gebäude ist in der Abbildung 2 dargestellt.
Die Komforttemperatur qc wird wie folgt berechnet:
qc = 0,33 ∙ qrm + 18,8
Dabei ist qc die optimale operative Temperatur und qrm der gleitende Mittelwert der Außentemperatur in °C.
Neben dem thermischen Komfort spielt die Raumluftqualität in der ÖNORM EN 15251 eine wichtige Rolle. Die Raumluftqualität wird als das erforderliche Niveau der Lüftung oder der CO2-Konzentration angegeben. Die erforderliche Lüftung beruht auf Gesundheits- und Behaglichkeitskriterien. In den meisten Fällen werden die Gesundheitskriterien durch die für die Behaglichkeit erforderliche Lüftung erfüllt. Gesundheitliche Auswirkungen können meist auf bestimmte Emissionskomponenten zurückgeführt werden. Die Behaglichkeit hängt stärker von der wahrgenommenen Luftqualität und damit der Lüftungsrate je Person ab. Die Kohlendioxidkonzentration eignet sich gut als Lüftungsparameter. Bei 1000 ppm (parts per million) CO2-Konzentration empfinden rund 20 % der Personen die Raumluftqualität als unbefriedigend. Der Arbeitskreis Innenraumluftqualität definiert wie in Abbildung 3 dargestellt, folgende fünf Klassen für die Raumluftqualität auf Basis der CO2-Konzentration [5].
Ziel ist dabei, den arithmetischen Mittelwert der Momentanwerte im jeweiligen Beurteilungszeitraum nicht über 800 ppm CO2 steigen zu lassen.
Wie erreicht man aber dieses Ziel?
Mit einer Lüftungsrate von 35 m³ pro Stunde und Person kann man diese Forderung typischerweise leicht erfüllen. Jedoch sollte die Lüftungsrate auch nicht zu hoch sein, denn dies führt im Winter zu sehr trockener Luft in den Räumen mit den bekannten Folgen wie trockene Augen und Atmungswege, welche für Entzündungen sehr anfällig sind. Daher bleibt nur ein Kompromiss zwischen Luftfeuchte und CO2-Konzentration als Ausweg. Der Luftwechsel wird dynamisch soweit reduziert, dass die CO2-Konzentration nicht über 1400 ppm im Mittelwert steigt. Damit sollten auch die Luftfeuchten im Winter über 30 % bleiben. Ein geringerer Luftwechsel erfordert aber auch, dass kaum andere Emissionsquellen vorhanden sind, es sich daher um sehr schadstoffarme Gebäude handelt.
Eine wichtige Rolle bei der Planung und dem Betrieb „gesunder und effizienter“ Gebäude spielt nicht nur die belegungsabhängig richtige Menge an Luft, sondern auch, wie diese eingebracht wird. Die Abbildung 4 zeigt wie dynamisch die Luftqualität in einem mit drei Personen belegten Büro verteilt ist. Die grüne Fläche zeigt jenen Bereich wo die Luft sehr gut ausgetauscht wird während der gelbe und rotbräunliche Bereich eine deutlich niedrigere Austauschrate haben, also die dritte Person im diesem Büro bezüglich Luftqualität eindeutig benachteiligt ist.
Eine hochwertige Planung verbunden mit dynamischer Gebäudesimulation bezüglich Energie, Behaglichkeit und Luftqualität ist die Basis für hocheffiziente Gebäude, in denen wir uns „wohlfühlen“ können. Damit die geplanten Qualitäten auch in der Praxis wirklich ankommen, ist eine messtechnische und mit Nutzerinnen- und Nutzerbefragung begleitete Inbetriebnahme sehr sinnvoll. Mit Hilfe von kontinuierlichen integrierten Behaglichkeits- und Luftqualitätsmessungen und den dazugehörigen computergestützten Bewertungen können die Gebäude so optimiert werden, dass sich die Personen in ihnen wirklich wohlfühlen können. Solcherart optimierte Gebäude haben gute „Gebäudesoftskills“.
Literatur
[1] Fanger, P.O. (1972): Thermal Comfort. Analysis and Applications in Environmental Engineering. USA: McGraw-Hill.
[2] McIntyre DA (1982): Chamber studies – Reductio ad Absurdum?. Energy and Buildings, 5 (1982) 89–96 (Klimakammeruntersuchungen – Reduzierung auf‘s Absurde?).
[3] Mayer E, Schwab R (1990): Untersuchung der physikalischen Ursachen von Zugluft. Gesundheits-Ingenieur – gi 111, H. 1. S. 17–30. [Mayer 1993]: Mayer E (1993): Vorschlag für ein individuelles Raumklima durch Infrarot-Strahlung mit Regelung über eine künstliche Haut. Proceedings CLIMA 2000. paper 290, London.
[4] Nicol F., Humphreys M., Roaf S. (2012): Adaptive Thermal Comfort. Routledge, London
[5] Tappler P. et al (2017): Kohlendioxid als Lüftungsparameter. Richtlinie zur Bewertung der Innenraumluft. Arbeitskreis Innenraumluft am Bundesministerium für Land und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (BMLFUW), Stubenbastei 5, 1010 Wien.
[6] Tappler P. et al (2014): Lüftung 3.0 – Bewohnergesundheit und Raumluftqualität in neu errichteten, energieeffizienten Wohnhäusern. Neue Energien 2020, Klima- und Energiefonds, 1.Ausschreibung, FFG Wien.
[7] Waltjen T. et al (2012): Handbuch Komfort für Passivhaus-Büros. Publikation aus dem Forschungsbericht ENERGIE DER ZUKUNFT, Projekt 815 692, IBO GmbH, Wien 2012.