Potenzial des Gebäudebestands
Im Schwerpunkt »zukunftsfähig« des Österreichischen Baukultur Reports [1] wird die energetische Sanierung von Gebäuden als wesentliche Herausforderung analysiert und die Dämmung der Gebäudehülle als Maßnahme zur Senkung des Heizwärmebedarfs als besonders effektiv bezeichnet (vgl. [1]). In Österreich gibt es mit rund 2,08 Mio. Wohngebäuden und 4,7 Mio. Wohnungen ein breites Anwendungsgebiet. Diese Wohngebäude gliedern sich in 87 % Ein- und Zweifamilienhäuser und 13 % Mehrfamilienhäuser. Etwa 45 % der Wohnungen liegen in Ein- und Zweifamilienhäusern, 52 % in Mehrfamilienhäusern und 3 % in Nichtwohngebäuden [2]. Dem Gebäudebestand von vor 1970 – entspricht 45 % der gesamten Wohnnutzfläche – wird das höchste Potenzial zur Einsparung von Treibhausgas-Emissionen durch thermisch-energetische Sanierung zugesprochen [2]. Dem Wiener gründerzeitlichen Wohngebäudebestand ist ein CO2equ -Emissionsanteil von 6 % des österreichischen Gesamtwohngebäudebestandes zuzuordnen. Dementsprechend kommt den Wohngebäuden dieser Periode besondere Bedeutung zu [1]. Bezogen auf die Gesamtzahl an Bauwerken stellen gemäß Denkmalschutzgesetz etwa 1,3 % ein Zeugnis »geschichtlicher, künstlerischer oder sonstiger kultureller Bedeutung« dar. Das Einsparungspotenzial an CO2equ – Emissionen durch Fassadendämmung in denkmalgeschützten und baukulturell wertvollen Wohnbauten in Bezug auf die Gesamtemissionen bei Wohnbauten liegt bei etwa 1 % [1].
Strategie und Ziele
Die seit 2014 bestehende Österreichische Gebäuderenovierungsstrategie sieht Maßnahmen wie Wohnbau-, Energie- und Umweltförderung sowie Energieeffizienzprogramme der Bundesländer, Umweltförderung im Inland sowie eine Sanierungsoffensive der Österreichischen Bundesregierung vor [2]. Das Bundesgesetz zur Einhaltung von Höchstmengen von Treibhausgasemissionen und zur Erarbeitung von wirksamen Maßnahmen zum Klimaschutz (Klimaschutzgesetz) [3] ermöglicht eine koordinierte Umsetzung wirksamer Maßnahmen zum Klimaschutz, wobei insbesondere Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz, Steigerung des Anteils erneuerbarer Energieträger am Endenergieverbrauch und Steigerung der Gesamtenergieeffizienz im Gebäudebereich berücksichtigt werden [2]. Die Entscheidung Nr. 406/2009/EG über die Anstrengungen der Mitgliedstaaten zur Reduktion der Treibhausgasemissionen im Zeitraum 2013 bis 2020 sah für Österreich eine Reduktion der Treibhausgasemissionen bis 2020 in Sektoren außerhalb des Emissionshandels um 16 % gegenüber 2005 vor [4]. Dieses Ziel wurden damals auch im österreichischen Klimaschutzgesetz [3] festgeschrieben, welches aktuell wieder in Überarbeitung ist.
Emissionen und Sanierungsrate
Im Gebäudesektor – Wohngebäude sowie private und öffentliche Dienstleistungsgebäude – sind die Treibhausgasemissionen in Österreich seit 2005 um ein Drittel zurückgegangen. Dazu beigetragen haben die thermische Sanierung bestehender Gebäude sowie die steigenden baurechtlichen Anforderungen für Sanierungen. Für Wohnbauförderungen wurden energetische Standards festgeschrieben, welche nochmals über diese baurechtlichen Standards hinausgehen. Zusätzlich zur Wohnbauförderung der Länder bietet der Bund im Rahmen der Sanierungsoffensive Förderungen für Gebäudesanierungen „Sanierungsscheck“ für private Haushalte und Wohngebäudeeigentümer an, wodurch beachtliche Volumina an Gebäudesanierungen bzw. Umstellungen von Heizungssystemen auf erneuerbare Energie realisiert wurden [4]. 2017 wurde der Zielpfad zur Reduktion der Treibhausgasemissionen dennoch überschritten. Gemäß den Vorgaben des Österreichischen Klimaschutzgesetzes werden daher zusätzliche Maßnahmen zur Umsetzung gebracht um die Zieleinhaltung sicherzustellen [4]. In Österreich wurden die Kerninhalte der Energieeffizienz-Richtlinie (2012/27/EU) durch das Bundes-Energieeffizienzgesetz [5] (Bundes-Energieeffizienzgesetz; BGBl. I Nr. 72/2014 umgesetzt.
Die umfassende thermische Sanierungsrate zeigt im Betrachtungszeitraum 2008–2018 mit 0,7 % zwar eine geringfügig steigende Tendenz, jedoch konnte das in der Klimastrategie für Wohngebäude geplante Ziel einer Steigerung von 3 % bis 2020 nicht erreicht werden [2]. Bevölkerungswachstum, zunehmende Wohnnutzfläche und wachsende Komfortbedürfnisse führten zuletzt zu einem starken Anstieg im Neubau von Wohn- und Dienstleistungsgebäuden - während die Sanierungsaktivitäten nur geringfügig stiegen. Dies führt zu einer Stabilisierung, nicht aber zur angestrebten Senkung des Emissionsniveaus.
Für einen kontinuierlichen Reduktionstrend werden deshalb in der Klima- und Energiestrategie konkrete Maßnahmen und Instrumente im Rahmen einer „Wärmestrategie“ unter Berücksichtigung der baukulturellen Leitlinien des Bundes und des Baukulturreport diskutiert. Dabei ist für Sanierungen u.a. die thermisch-energetische Sanierung des Gebäudebestands sowie Effizienzverbesserung bei Heizsystemen eine Verdoppelung der Sanierungsrate im Zeitraum 2020 bis 2030 geplant. Darüber hinaus wird die Reduktion des Kühlbedarfs von Gebäuden sowie die Erhöhung des Anteils effizienter erneuerbarer Energieträger und Fernwärme/-kälte für Heizung, Warmwasser und Kühlung, vorgesehen.
Insbesondere durch Standards, Bewusstseinsbildung, Information, Beratung und Weiterbildung werden Anreize und Marktimpulse zum Einsatz erneuerbarer Energieträger, für Energieeffizienzmaßnahmen und den Bereich Bauen und Sanieren geschaffen. Bis 2050 wird eine vollständige Dekarbonisierung des Sektors angestrebt (vlg. [4]).
Qualitätsstandards der Nachhaltigkeitszertifizierung
Eine Orientierung, über langfristig vernünftige Maßnahmen im Bereich Bauen und Sanieren, geben u.a. Qualitätsstandards der Nachhaltigkeitszertifizierung. So zielt der klimaaktiv Gebäudestandard – bei dem der Anteil der Sanierungen bezogen auf die Gebäudefläche immerhin bei 20 % liegt – auf eine hohe Marktdurchdringung klimafreundlicher Bauweisen ab [6]. Eine qualitativ hochwertige Sanierung stellt darin den Schlüssel für langfristig wirksamen Klimaschutz dar, wobei eine bedeutende Rolle neben Planungs- und Ausführungsqualität, Qualität der Baustoffe und der Konstruktion, Komfort und Raumluftqualität, der Energieeffizienz zukommt (vgl. [6]).
Finanzierung und Förderungen
Im zweiten nationalen Energieeffizienzaktionsplan der Republik Österreich (NEEAP 2017) wird gemäß Energieeffizienzrichtlinie 2012/27/EU eine langfristige Strategie zur Mobilisierung von Investitionen zur Renovierung öffentlicher und privater Wohn- und Geschäftsgebäude festgelegt [7]. Je nach Gebäudetyp werden Renovierungskonzepte erstellt, wobei umfassende Renovierungen auch in mehreren Stufen erfolgen dürfen. Mit dieser zukunftsgerichteten Perspektive können Investitionsentscheidungen von Einzelpersonen, Bauwirtschaft und Finanzinstituten gelenkt werden. Es werden ausschließlich umfassende Sanierungen bzw. größere Renovierungen angestrebt, was angesichts des notwendigen Finanzierungsaufwandes auf einer offenen Zeitskala ermöglicht wird (vgl. [7]). Um nachhaltige und zukunftsfähige Wohnungssanierungsmaßnahmen sicherzustellen, werden öffentliche Mittel an Qualitätskriterien gebunden werden. So werden beispielsweise im Rahmen der Umweltförderung ambitionierte Qualitätskriterien wie jene des klimaaktiv-Gebäudestandards für Sanierung verankert (vgl. [8]).
Ambitionierte Sanierungen bringen Vielzahl positiver Effekte
Eine Vorbildrolle in Bezug auf nachhaltiges und ressourcenschonendes Bauen möchte der Bund durch die Anwendung des Nachhaltigkeitsprinzips anhand der Umsetzung von Aspekten der Ökologie, Ökonomie, des Sozialen und der Kultur beim Bauen, Erneuern und Betreiben eigener Immobilien wahrnehmen. Hierzu wird in den Baukulturellen Leitlinien des Bundes [8] u.a. ein Maßnahmenplan zu Energieeffizienzmaßnahmen an denkmalgeschützten Gebäuden erarbeitet und eine Optimierung der Rahmenbedingungen für die Erhaltung, die zeitgenössische Weiterentwicklung und adäquate Nutzung des baukulturellen Erbes Österreichs angestrebt. Im Gebäudesektor besteht weiterhin erhebliches Potenzial zur Reduktion von Treibhausgas-Emissionen [2]. Über diese Reduktion hinaus werden thermischen Sanierungsmaßnahmen – wie der Innendämmung – weitere positive Effekte zugeschrieben. Dazu zählen Werterhaltung, Wohnqualität, reduzierte Betriebskosten der Haushalte, Gesundheit der BewohnerInnen sowie Versorgungssicherheit, inländische Wertschöpfung und die mit einer verstärkten Sanierungstätigkeit verbundene Konjunkturbelebung und Beschäftigungsnachfrage. Bei den meisten Gebäuden mit hohem Verbesserungspotenzial der Energieeffizienz der Gebäudehülle besteht eine im Vergleich zur Kapitalmarktrendite attraktive Amortisation der Bauteilerneuerung (vgl. [2]).
Gesetzliche Verankerung
Im Bundesverfassungsgesetz über die Nachhaltigkeit, den Tierschutz, den umfassenden Umweltschutz, die Sicherstellung der Wasser- und Lebensmittelversorgung und die Forschung [9] bekennt sich die Republik Österreich (Bund, Länder und Gemeinden) zum Prinzip der Nachhaltigkeit bei der Nutzung der natürlichen Ressourcen, um auch zukünftigen Generationen bestmögliche Lebensqualität zu gewährleisten. Vor dem Hintergrund des Klimaschutzgesetzes [3], des Klimaschutzberichtes [2], des integrierten nationalen Energie- und Klimaplans für Österreich [4], der baukulturellen Leitlinien des Bundes [8] und des Wiener Wohnbauförderungs- und Wohnhaussanierungsgesetz [10] werden im Regierungsprogramm 2020 – 2024 [11] für die Sanierung von Wohngebäuden umfassende Aktionspakete definiert. Dazu zählen die Reformation des Wohnrechts für mehr sozialen Ausgleich, ökologische Effizienz, mehr Rechtssicherheit samt höherer Wirtschaftlichkeit und die Stärkung der Sanierung in der Wohnbauförderung. Außerdem wird eine effizientere Baulandbewirtschaftung beschrieben, wobei Sanierung und Nachverdichtung vor Neubau verstärkt gefördert werden soll. Die Umstellung des Energiesystems – Phase-Out von fossilen flüssigen Energieträgern für Heizzwecke bis 2040 und der Ersatz fossiler Brennstoffe durch erneuerbare und effiziente Fernwärme auf Basis erneuerbarer Energieträger [4] – wird im Gebäudesektor durch thermische Sanierung – 3 % Sanierungsquote mit verbindlichen Leitlinien für ökologisch vorbildhafte Sanierung – und den konsequenten Umstieg auf Heiz- und Kühlsystemen mit erneuerbaren Energien unterstützt. Eine langfristige koordinierte Förderoffensive und Anpassung der Wohnbauförderung an Klimaschutzziele resultiert in einer Steigerung der Sanierungsqualität und führt zu einer raschen Verbrauchsreduktion und Kostenersparnis für die Haushalte (vgl. [11]).
Resümee
Insgesamt wurden die Rahmenbedingungen für eine Steigerung der Sanierungsrate in den letzten Jahren deutlich verbessert und sind mittlerweile gesetzlich bzw. baurechtlich so gut verankert, dass die angestrebten Klimaschutzziele im Gebäudebereich erreicht werden können.
Literatur
[1] Österreich, B., Österreichischer Baukultur Report 2011. 2011.
[2] Klimaschutzbericht 2019 Analyse der Treibhausgas-Emissionen bis 2017. 2019.
[3] KSG Klimaschutzgesetz. 2017.
[4] Integrierter nationaler Energie- und Klimaplan für Österreich Periode 2021 bis 2030. 2019.
[5] konsolidiert, B., Bundes-Energieeffizienzgesetz. RIS, 2014.
[6] klimaaktiv, klimaaktiv Gebäudereport 2017. 2018.
[7] Monitoringstelle, Ö.E.A., NEEAP 2017 Zweiter Nationaler Energieeffizienzaktionsplan der Republik Österreich 2017 gemäß Energieeffizienzrichtlinie 2012/27/EU, F.u.W.S.I. Bundesministerium für Wissenschaft, Editor. 2017, Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft: Wien.
[8] Bundeskanzleramt, Baukulturelle Leitlinien des Bundes. 2017.
[9] RIS, Bundesverfassungsgesetz über die Nachhaltigkeit, den Tierschutz, den umfassender Umweltschutz, die Sicherstellung der Wasser- und Lebensmittelversorgung und die Forschung. 2020.
[10] RIS, WWFSG Wiener Wohnbauförderungs- und Wohnhaussanierungsgesetz. 1989.
[11] Österreich, R., Aus Verantwortung für Österreich - Regierungsprogramm 2020 - 2024, B. Österreich, Editor. 2020, Bundeskanzleramt Österreich: Wien.