Strategische Ziele – es muss vernünftig gedämmt werden
Im Bestreben, einen nachhaltigen Rückgang der Treibhausgasemissionen sicherzustellen, definiert die Klima- und Energiestrategie eine umfassende "Wärmestrategie". Dabei spielen die baukulturellen Leitlinien des Bundes und der Baukulturreport eine wichtige Rolle, um sicherzustellen, dass die geplanten Maßnahmen nicht nur ökologisch, sondern auch architektonisch und kulturell verträglich sind. Die angestrebte Verdoppelung der Sanierungsrate im Zeitraum von 2020 bis 2030 zielt auf eine drastische Verbesserung der Energieeffizienz des bestehenden Gebäudebestandes ab. Dies schließt die thermisch-energetische Sanierung sowie die Optimierung von Heizsystemen ein, was von entscheidender Bedeutung ist, um die langfristigen Klimaziele zu erreichen. Darüber hinaus wird die Reduktion des Kühlbedarfs von Gebäuden, sowie die Erhöhung des Einsatzes effizienter erneuerbarer Energieträger und Fernwärme/-kälte für Heizung, Warmwasser und Kühlung vorgesehen.
Insbesondere durch Standards, Bewusstseinsbildung, Wissensverbreitung, Beratung und Weiterbildung werden Anreize und Marktimpulse zum Einsatz erneuerbarer Energieträger, für Energieeffizienzmaßnahmen unter anderem im Bereich Bauen und Sanieren geschaffen. Auf diese Weise soll Energie eingespart, der Anteil erneuerbarer Energieträger gesteigert und die Gesamtenergieeffizienz im Gebäudesektor erheblich verbessert werden. Schließlich wird das langfristige Ziel verfolgt, den Gebäudesektor bis 2050 vollständig zu ‚dekarbonisieren‘ [1].
Erhaltenswerte Bausubstanz
Nicht nur als Ressourcenlager im Sinne der Kreislaufwirtschaft ist dem Gebäudebestand ein besonderer Stellenwert zuzuschreiben. Die Bewahrung denkmalgeschützter Gebäude und erhaltenswerter Bausubstanz ist eine Frage des kulturellen Erbes, aber auch von großer Bedeutung in Hinblick auf die Zeiten des Klimawandels und die nötige Nachhaltigkeit des Gebäudebestand. In diesem Beitrag werden die Herausforderung wie auch das Potential klimagerechten Sanierens im Denkmalbestand an einem konkreten Beispiel aufgezeigt. Es wird gezeigt, wie die Bewahrung historischer Werte und die Anpassung an moderne Umweltstandards mit der Einhaltung vorgegebener Mindestanforderungen Hand in Hand gehen können.
Relevanz der Sanierung im Denkmalbestand
Unbestritten ist die Tatsache, dass dem Gebäudebestand das höchste Potenzial zur Einsparung von Treibhausgas-Emissionen durch thermisch-energetische Sanierung zugesprochen werden kann [2]. Allein dem Wiener gründerzeitlichen Gebäudebestand ist ein CO2equ - Emissionsanteil von 6 % des österreichischen Gesamtwohngebäudebestandes zuzuordnen. Dementsprechend kommt den Gebäuden dieser Periode besondere Bedeutung zu [3]. Bezogen auf die Gesamtzahl an Bauwerken stellen gemäß Denkmalschutzgesetz etwa 1,3 % ein Zeugnis »geschichtlicher, künstlerischer oder sonstiger kultureller Bedeutung« dar. Es besteht daher auch im denkmalgeschützten Gebäudebestand erhebliches Potenzial zur Reduktion von Treibhausgas-Emissionen. Die thermische Sanierung bzw. die Steigerung der Energieeffizienz denkmalgeschützter Gebäude ist dabei eine besonders anspruchsvolle Aufgabe. Unterstützung und Orientierung in diesem Bereich geben bereits langjährig etablierte Leitfäden und Richtlinien wie die ‚Standards Energieeffizienz am Baudenkmal [4]‘ oder die Merkblätter der WTA-wissenschaftlich technische Arbeitsgemeinschaft für Bauwerkserhaltung und Denkmalpflege.
Im Bereich der thermischen Sanierung ist zwar eine leichte Steigerung der thermischen Sanierungsrate in den vergangenen Jahren zu erkennen, das in der Klimastrategie gesetzte Ziel eines Anstiegs um 3 % konnte, zumindest in Österreich, noch nicht erreicht werden.
EU-Taxonomie Verordnung
Seit dem Beschluss der EU-Taxonomie-Verordnung und der delegierten Verordnung der Kommission, wurden EU-weite einheitliche Beurteilungskriterien und Mindestanforderungen festgelegt, um die Definition nachhaltiger Gebäude festzulegen [5]. Die delegierte Verordnung (Annex 1) fordert bei einer Sanierung eine Reduktion des Primärenergiebedarfs von mindestens 30 % [6].
Werkzeuge und Maßnahmen
Als wesentliche Schritte zur Erreichung der geforderten Ziele aus der EU-Taxonomie wird eine genaue Bestandserhebung und Abklärung der Planungsziele, mit anschließender Erstellung eines Maßnahmenkatalogs zur Steigerung der Energieeffizienz durchgeführt. Zur Potentialanalyse werden die Gebäudeenergiekennzahlen der einzelnen Maßnahmen berechnet und untereinander bzw. mit den Bestandswerten verglichen werden. In Form von Pre-Checks werden dabei die aus den Maßnahmen resultierenden Einsparungen und Verbesserungen mit den baurechtlichen wie auch die aus EU-Taxonomie und Gebäudezertifizierung definierten Zielvorgaben abgestimmt, so geschehen bei den Gründerzeitgebäuden in der Reichsratstraße.
Über die gängigsten Maßnahmen in der Bestandssanierung, der Fenstertausch bzw. deren thermische Ertüchtigung, hinaus stand insbesondere die Applikation einer Innendämmung im Fokus der bauphysikalischen Begleitung. Bei Gebäuden im Denkmalbestand ist eine sorgfältige Abwägung zwischen dem Erhalt historischer Authentizität und den Anforderungen des Umweltschutzes erforderlich. Der Einsatz nachhaltiger Materialien und Technologien muss harmonisch in die bestehende Bausubstanz integriert werden, ohne den architektonischen Charakter zu verändern. Die Applikation von Innendämmung ist insbesondere im Denkmalschutz und beim Erhalt von strukturierten Fassaden eine Lösung zur Verbesserung des Wärmeschutzes, da die äußere Fassade unberührt bleibt.
Der Einsatz von Innendämmung wurde durch eine erste Machbarkeitsstudie und weitere Werkzeuge wie hygrothermische Simulationen und Wärmebrückenberechnungen begleitet, um die Gebrauchstauglichkeit zu sicherzustellen. Basierend auf den Ergebnissen erfolgte die Materialwahl, der Bemessung und der Detailausbildung.
Darüber hinaus wurden die geplanten Sanierungsmaßnahmen mittels hygrothermischer Raum- und Gebäudesimulation hinsichtlich des sommerlichen Temperaturverhaltens untersucht und die erforderlichen Heiz- und Kühllasten prognostiziert, sodass auch Größe und Betrieb der Anlage optimiert werden konnten. Hinsichtlich des thermischen Komforts im Winter, wie auch im Sommer wurden mögliche Verschattungsmaßnahmen in Kombination mit verschiedenen Ausbildungsmöglichkeiten der Kastenfenster untersucht.
Das Vorzeigeprojekt - Reichsratsstraße 9
Beim Projekt in der Reichsratsstraße 9 handelt es sich um die thermische Sanierung eines Bürogebäudes aus der Wiener Gründerzeit-Epoche. Aufgrund des Denkmalschutzes wurde eine Innendämmung ausgeführt und damit die strukturierten Fassaden erhalten. Der Prozess der Generalsanierung wurde mit dem klimaaktiv Gebäudezertifizierungssystem begleitet und kürzlich mit dem Zielstandard „Gold“ ausgezeichnet. (https://www.klimaaktiv-gebaut.at/gebaut/objekte/all/reichsratsstrae-9/) Durch eine baubegleitende Qualitätssicherung der applizierten Innendämmung, wurde die Qualität der Sanierung sichergestellt. Die gelungene Sanierung dieses denkmalgeschützten Gründerzeithauses zeigt, wie historischer Charme und moderne Energieeffizienz erfolgreich miteinander kombiniert werden können.
Eine hohe Multiplizierbarkeit der Projektergebnisse, also eine effiziente Übertragbarkeit auf andere Sanierungsprojekte, kann dadurch realisiert werden. Es wurde gezeigt, dass durch die gesetzten Maßnahmen Gebäudesanierungen auch im denkmalgeschützten Bereich im Sinne der EU-Taxonomie umsetzbar sind. Auf diese Weise können die ambitionierten Ziele der Klimastrategie erfüllt und die Sanierungsrate gesteigert werden.
Verbesserungspotential
In Abbildung 1 werden Referenzheizenergiebedarf, Primärenergieenergiebedarf und die CO2-Emissionen des als Bürogebäude genutzten Gründerzeitgebäudes in der Reichsratsstraße für ausgewählte Sanierungsvarianten dargestellt.
Nachfolgend werden einige der untersuchten Varianten gezeigt:
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Sanierung der Fenster mit einer 2-Scheibenverglasung im Bereich der Innenflügel mit U-Wert Kastenfenster ~ 0,97 W/m²K
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Sanierung der Fenster mit einer 3-Scheibenverglasung im Bereich der Innenflügel mit U-Wert Kastenfenster ~ 0,91 W/m²K
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Zusätzlich zur thermischen Ertüchtigung der Fenster die Verbesserung des Wärmeschutzes der Außenwand mit einer 10 cm dicken Innendämmung
Durch die Sanierung der Fenster, also die Erneuerung des Innenflügels, kann der Primärenergiebedarf um ca. 18 % bei 2-Scheiben-Verglasung und etwa 23 % bei 3-Scheiben-Verglasung reduziert werden. Ob die Wahl letztendlich auf eine 2-, oder 3-Scheibenisolierverglasung fällt, hängt hauptsächlich von der Tragfähigkeit des Bestands-Fensterstocks ab. Aber auch Überlegungen zum Kühlbedarf können Einfluss darauf haben. Den größten Hebel in der Einsparung der Heizenergie bildet die thermische Optimierung der opaken Außenwände. Eine Außendämmung kann aufgrund der denkmalgeschützten Fassade nicht durchgeführt werden, stattdessen kann die thermische Verbesserung mit einer Innendämmung erreicht werden. In Kombination der Innendämmung mit der Sanierung der Fenster kann eine Primärenergieeinsparung von 43 % bei 2-Scheiben-Verglasung und 48 % bei 3-Scheiben-Verglasung erreicht werden.
Liegt der Fokus der Beurteilung auf der Reduktion des Primärenergiebedarfs, spielt die im Bestand vorhandene Haustechnik eine wesentliche Rolle. Alleine für sich betrachtet, also ohne Verbesserung bzw. Anpassung der Haustechnik oder Energieträger, führt die thermische Sanierung im betrachteten Beispiel hinsichtlich des Primärenergiebedarfs zu einer Reduktion von 12 %, weshalb auch die Haustechnik in die Betrachtung mit aufzunehmen ist, wie die Umstellung von fossilen Energieträgern auf Fernwärme.
Da ein Gebäude mit Büronutzung betrachtet wird, spielt der Kühlbedarf eine wesentliche Rolle. Im konkreten Projekt wurde durch die Umstellung von Kältemaschine bzw. Klimasplit-Geräten auf Fernkälte eine wesentliche Reduktion des Primärenergiebedarfs realisiert. Jedenfalls ist der Kühlbedarf durch geeignete und denkmalverträgliche Verschattungseinrichtungen – im konkreten Beispiel ein zwischen den Fensterebenen liegendes Textilrollo – zu reduzieren.
Fazit
Durch die umfassende thermische Sanierung des als Büro genutzten denkmalgeschützten Gründerzeitgebäudes konnte es auf ein hohes energetisches Niveau gebracht werden und das denkmalverträglich. Eine alleinige Ertüchtigung der Fenster hätte zwar die Qualität des Gebäudes bereits wesentlich verbessert, jedoch wäre damit die Anforderungen aus der EU-Taxonomie bzw. der klimaaktiv Gebäudezertifizierung noch nicht erfüllt worden. Durch die Umsetzung einer Innendämmung konnte die thermische Sanierung und der Erhalt der historischen Fassade realisiert werden. In Kombination mit den thermisch verbesserten Fenstern wurde der Primärenergiebedarf so stark reduziert, dass mit dem Einsatz effizienter Heizungs- und Kühlanlagen sogar in dem denkmalgeschütztem Bestandsgebäude ein hoher Energieeffizienzstandard erreicht wurde. Durch die Anpassungen in der Haustechnik konnten zusammen mit der thermischen Sanierung die Anforderungen der EU-Taxonomie erreicht bzw. sogar übertroffen werden. Dieser Aspekt stellt bei der Sanierung von Bestandsobjekten nicht nur Voraussetzung für die Projektfinanzierung dar, sondern stellt auch eine äußerst ansprechende Investition für Immobilienfonds dar, insbesondere für Green Fonds, die gezielt nachhaltige und umweltfreundliche Immobilienprojekte in ihrem Portfolio führen.
Quellen:
[1] Integrierter nationaler Energie- und Klimaplan für Österreich Periode 2021 bis 2030. 2019.
[2] Klimaschutzbericht - Analyse der Treibhausgas-Emissionen. 2021.
[3] Vierter Baukultur Report Österreich. 2021.
[4] Bundesdenkmalamt, Standards Energieeffizienz am Baudenkmal. 2021.
[5] Taxonomy: Final report of the Technicla Expert Group on Sustainable Finance. 2020.
[6] Annex 1 to the EU Taxonomy Climate Delegated Act. 2021.